“Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.(Woody Allen).”
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Politik

Ich sprach es bereits in anderen Artikeln an. Ich bin ein politisch interessierter Mensch. Seit frühester Jugend. Würde ich beschreiben müssen, wo ich stehe, würde ich mich links von der Mitte einordnen. Mit extremen, utopischen, populistischen oder gar nationalistischen Ansichten kann ich nichts anfangen. Sie sind mir zuwider und manchmal ein Ärgernis, sich damit beschäftigen zu müssen. Ich selbst sehe mich als Europäer mit deutschen Wurzeln und bin begeisterter Anhänger der Vision eines vereinigten Europas. Zudem bin ich seit über siebzehn Jahren Mitglied der ältesten noch bestehenden Partei Deutschlands. Aus Überzeugung, nicht, weil ich aktiv in die Politik gehen wollte. Lange vor dem Zusammenschluss der Bundesrepublik mit der DDR, kannte ich bereits viele westdeutsche Politikerinnen und Politiker aus dem Bundestag und diversen Landesparlamenten. Wahrscheinlich sogar mehr, als aus dem DDR-Staatsapparat. Wobei ich hier einschränken muss, dass ich das Agieren der Volkskammer-Vertreter nicht mit realer Politik verband, sondern eher mit einer Verwaltung, da nur wenige den Kurs des Landes bestimmten. Die restlichen Abgeordneten saßen dort, um den Schein einer Demokratie wahren. Die bundesdeutschen Gesichter waren eher präsent. In den Nachrichten, den Talkshows, oder den Übertragungen aus dem Bundestag. Kohl, Lammert, Geißler, Strauß, Waigel, Schily, Fischer, Egon Bahr, Willy Brandt, Rudolf Dreßler, Helmut Schmidt, oder Hans Jochen Vogel, um nur einige zu nennen. Alles Namen, die jeder kannte, sowohl in Ost, als auch West und bei denen man zumindest die Parteizugehörigkeit zuordnen konnte. Witze über Stoltenberg, Genscher, Lambsdorff, Blüm oder anderen Politikern, die im Umlauf waren, verstand fast jeder, weil klar war, um wen es sich handelt und welche Eigenarten jeder aufwies. Aber machen sie doch mal heute einen Witz über, sagen wir Gerd Müller, Anja Karliczek, Katarina Barley oder Svenja Schulze. Aller Wahrscheinlichkeit nach, wird sie ein Großteil ihres Umfeldes fragend anschauen, weil ihnen diese Namen nicht geläufig sind. Und die genannten Herrschaften sind immerhin alle Minister der aktuellen Regierung. Aber zurück: In diesen Jahren wurde bei uns viel über Politik gesprochen. Sowohl über die westdeutsche, als auch über die DDR-Politik. Wobei letztere aus bereits beschlossenen Fakten bestand. Nicht nur an Stammtischen, sondern auch innerhalb der Familie und der Freundschaften diskutierte man. Nicht verallgemeinert, wie es heute oft passiert, sondern konkret. Über Inhalte, Ansichten und Auswirkungen. Natürlich auch über die agierenden Personen. Wie man sie wahrnahm, was man gut fand, was man ablehnte, ob sie sympathisch waren, authentisch wirkten, oder nicht. Interessant für uns als DDR-Bürger war, dass man hier eine Politik diskutierte, die einen weder betraf, geschweige denn, dass wir damals je einen der bundesrepublikanischen Abgeordneten zu Gesicht bekamen. Ich sah in diesen Jahren viele Reden und Debatten aus Bonn, oder Ausschnitte davon im Fernsehen und war gefesselt. Allein die Freiheit und die Möglichkeit, eine Regierung scharf zu kritisieren, Fehler der Verantwortlichen öffentlich zu nennen, oder aufzudecken, was im eigenen Land schiefläuft und das in einem nicht immer freundlichem Ton, begeisterte mich. Trotzdem war bei solchen Wortwechseln unüberschaubar der Respekt der Parlamentarier voreinander, vor dem Amt und dem Plenum, auch wenn man anderer Meinung war. Sicher, gab es auch die ein oder andere seltene Entgleisung. Vor allem muss ich hier an Joschka Fischer denken, dem dann schon mal „Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch, mit Verlaub“ herausrutschte. Aber wahrscheinlich wird er auch heute noch auf diesen Satz angesprochen. Was einem bei diesen Diskussionen, Auseinandersetzungen und Redebeiträgen nicht entging, war oft die Leidenschaft und die Überzeugung der einzelnen Akteure. Und das Wichtigste: Man konnte sie inhaltlich eindeutig unterscheiden. Auch wenn sie bereits damals dem Fraktionszwang unterlagen, hatte man das Gefühl, dass das, was sie vortrugen, ihre persönliche Auffassung war. Sehe ich mir die heutige Politik an, fehlt mir einiges davon. Angefangen von den Charakterköpfen, den klaren Standpunkten und Meinungen. bis hin zur fehlenden Leidenschaft und Überzeugungskraft. Ich meine, sehen wir es doch mal so: Es regiert eine CDU in Koaltion mit den Sozis, die vorrangig und jahrelang vor allem SPD-Politik abarbeitete. Nicht dass ich etwas dagegen hätte. Das Beste daran, mit einer Kanzlerin, die mit dieser Politik von vielen Bürgern gar nicht in Verbindung gebracht wird, wie mein Gitarrist Heiner immer zu sagen pflegt. Das ist auch mein Eindruck und irgendwie kurios. Nur anders kann ich mir die Beliebtheitswerte und relativ großen Wahlerfolge der CDU nicht erklären. Auch wenn sie in den letzten Jahren schrumpften. Fast jede etablierte Partei möchte heute ein bisschen konservativ, ein bisschen links, ein bisschen grün und ein bisschen liberal sein. Gut, die CDU/CSU wollte dann auch irgendwie ein bisschen rechts sein, um den Populisten das Wasser abzugraben, aber irgendwie ging das völlig in Hose. Statt den rechten Rand vernünftig zu bekämpfen, half man ihm eher zu erstarken. Wie traurig. Was ich damit sagen will, ist, dass wahrnehmbar keine der noch großen Parteien ein eindeutiges Profil besitzt. Ich finde es schade und hätte mir bereits viel früher gewünscht, dass diese unsägliche große Koalition nicht mehr weitergeführt wird. Vielleicht hätten sie alle wieder zu sich gefunden. Und möglicherweise wäre meine Partei wieder in der Lage, sich auf ihre grundlegenden Kernkompetenzen zu besinnen. Unter anderem in der Sozialpolitik. Es ist eh egal, wie man sich in der SPD entscheidet, eins auf die Mütze gibt es immer. Hinzu kommt, dass sich beide Noch-Volksparteien keinen Gefallen getan haben in den letzten Jahren ihre internen Querelen und Auseinandersetzungen so öffentlich auszutragen. Dass sie an manchen Stellen sogar den Bezug zum Wähler und der Bevölkerung verloren, hat uns letztendlich die CDU eindrucksvoll in der Zeit der letzten Europawahl bewiesen. Mit Frau Merkels Kanzlerschaft kann ich persönlich nichts anfangen. Sie führte all die Jahre zu sehr den Kurs von Helmut Kohl fort. Abwarten, schauen, was passiert und dann in allerletzter Sekunde reagieren statt regieren. Keinen eindeutigen Kurs, wenig Ziele und schwammige Andeutungen, was man vorhat. Unangenehme Entscheidungen, die womöglich Auswirkungen auf Wahlergebnisse haben könnten liegenlassen und aussitzen. Das hatte für mich oft nichts mit Politik zu tun. Politik muss anpacken, vorausschauend und eindeutig sein und sollte niemals irgendwelchen parteipolitischen, oder gar machtpolitischen Spielchen untergeordnet sein. Klar ist, dass sich die Politik bewegen muss. Nicht unbedingt wie Frau Merkel im Zickzack und mit der Nase in die Richtung, wo vom Volk die größten Proteste kommen. Nein, tatsächlich sollten sie wieder besser zuhören und das Volk in wichtige Entscheidungen einbeziehen. Eine Annäherung beider Seiten auf Augenhöhe wäre von Vorteil. Mein Interesse an der Politik verlor ich nicht, aber ich kann einige verstehen, die das Agieren kritisch sehen und sich wie ich ein differenzierteres Profil der Parteien wünschen. Was ich dagegen nicht verstehe ist die oft gehörte Verallgemeinerung der Politik und die Gleichgültigkeit mancher Mitbürger. Gerade wenn „von denen da oben“ gesprochen wird. Und „dass man schließlich als Kleiner sowieso nichts ausrichten könne...“ Das wundert mich. Warum wendet man sich gänzlich von der Politik ab? Ist es ihnen wirklich egal, was aus diesem Land oder aus Europa wird? Ich höre und lese von ihnen. Sie schimpfen, reden und beschweren sich, was alles schief läuft. Aber etwas dagegen tun wollen sie auch nicht. Selbst wählen nicht. Jeder Bürger hat das Recht und die Möglichkeit, seine Abgeordneten, egal ob nun auf Bezirks- ,Landes- oder Bundesebene zu kontaktieren. Möglichkeiten gäbe es genug. Sagt ihnen, was nicht in Ordnung ist. Geht wählen. Man muss ja nicht gleich bei den Etablierten sein Kreuzchen setzen. Wahlmöglichkeiten gibt es zur Genüge. Aber sich nur beschweren, Wahlen ignorieren oder „Protest“ wählen bringt keine Seite weiter. Das stärkt nur die extremen Ränder. Egal ob links oder rechts. Für den folgenden Inhalt habe ich bereits sehr viel Kritik einstecken müssen. Und ich musste unzählige Diskussionen führen. Aber: Dies ist meine Meinung, die zu einem für mich wichtigen Entschluss geführt hat. Und dazu stehe ich: Die letzten wichtigen und eindrucksvollsten Politiker der letzten Jahrzehnte waren für mich unter anderem Gerhard Schröder und Franz Müntefering. Nach sechzehn Jahren Kohl und dem jahrelangen Aussitzen einer zum Schluss sowohl belanglosen, als auch stillstehenden Politik von CDU, CSU und FDP, kamen hier einige Protagonisten ans Ruder, denen man ihre Begeisterung und Leidenschaft wieder anmerkte. Sie wollten das Land verändern. Was sie auch taten. Und egal, wie jeder für sich deren Politik bewertete, mich hat es beeindruckt. Und das führte zu meinem Entschluss, in die Partei einzutreten. Nachdem ich damals mein Parteibuch der SPD entgegennahm, bat man mich darüber nachzudenken, aktiv zu werden. Gerade ich als Musiker könnte mich doch für die kulturellen Inhalte engagieren. Tatsächlich dachte ich wenige Wochen darüber nach, obwohl ich genau mit den gegenteiligen Ambitionen meinen Aufnahmeantrag unterschrieb. Nun hatte ich zwar Interesse an der Politik, aber um ehrlich zu sein, keine Ahnung, wie sie denn tatsächlich in einer Partei funktionierte. Zudem habe ich nicht zu allem eine Meinung, geschweige denn eine Ahnung und bei manchen Themen eine abweichende Überzeugung. Furchtbar spontan bin ich sicher auch nicht. Ich rede zwar sehr gern, aber fundiert ist das nicht immer. Wenn ich es also wollte, müsste ich mich entsprechend darauf vorbereiten. Und das ginge meiner Meinung nach, nur, wenn ich es erlernte. Aktiv und mittendrin, wenn man nicht nur am Stammtisch verbleiben möchte. Von der Ortsgruppe zur Bezirksverordnetenversammlung und von dort vielleicht zum Senat. Je nachdem, wie der Wähler entscheidet. Alles andere macht keinen Sinn, wenn man etwas bewegen möchte. Aber ich machte mir nichts vor. Ich entschied mich dagegen. Nicht nur, weil in dieser Zukunft meine wertvolle Freizeit und somit mein Familienleben erheblich eingekürzt wäre, sondern auch, weil ich viel zu sehr Individualist bin, um mich einem Gruppen- bzw. einem Fraktionszwang zu unterwerfen. Bei Wahlkämpfen auf der Straße folgt man der Partei, nicht unbedingt seiner persönlichen Ansicht, die in einigen Punkten abweicht. Das habe ich schon in meiner Tätigkeit als Banker nicht gekonnt. Ich konnte nichts verkaufen, wohinter ich nicht hundertprozentig stand. Schon allein, um die Frage nicht beantworten zu müssen „Würden sie mir das Produkt wirklich empfehlen“ „Nein, ich halte diese Anlage viel zu risikoreich, ich selbst würde die Finger davon lassen“ Unglaubwürdig wollte ich nicht werden. Bundeskanzler Schröder, und mit ihm die SPD und die Grünen sind letztendlich für Teile ihrer umgesetzten Visionen abgewählt worden. Ich selbst habe viele Schelte dafür bekommen, dass ich diese Regierung verteidigte. In der Wahrnehmung der Leute reduzierte sich die umfangreiche Reformpolitik der beiden Parteien am Ende nur noch auf Hartz4 und dem Ausbau der von CDU und FDP eingeführten Minijobs. Die Wirtschaft nutzte diese Maßnahme schamlos aus. Ganze Belegschaften wurden hier geopfert und gegen Minijobbber ausgetauscht. Das was man noch heute der SPD anlastet, spielt für die Grünen, die diese Politik mit verantworteten, keine Rolle mehr. Aber meine Partei ist schlichtweg zu unfähig auch das Schlechte in der Wirtschaft zu sehen, und zudem ihre eigenen Erfolge zu kommunizieren. Daran hat sich auch aktuell nichts verändert. Selbst Merkel lässt sich für Entscheidungen und Gesetze der SPD feiern, die sie weder mit ihrer eigenen Partei initiierte oder diese sogar im Vorfeld ablehnte. Sei es die Ehe für alle, der Mindestlohn oder die Klimapolitik. Ich bin nicht immer glücklich mit der Politik und den führenden Köpfen der SPD und lehne auch einige Ideen und Entscheidungen meiner Partei ab. Auch bin ich seit Jahrzehnten der Auffassung, dass Politik und Wirtschaft viel zu sehr verknüpft sind und entflochten werden müssen. Dazu gehörte für mich die Niederlegung jeglicher Posten in der Wirtschaft während der Zeit der politischen Arbeit. Für mehr als Politik, sollte kaum Zeit sein. Zudem vermisse ich bei einigen Volksvertretern die Demut und den Respekt gegenüber ihren Wählern, um nicht zu vergessen, wen sie vertreten und von wem sie bezahlt werden. Meist um die Wahlzeit herum nutze ich den Wahl-O-Maten. Nicht, weil ich mir unsicher bin, ob ich meine eigene Partei noch wählen sollte, sondern um zu schauen, mit wieviel Prozent Übereinstimmung die SPD meine Meinung noch vertritt. Zur Zeit sind es 88,1% Kein schlechter Wert. Kurz dahinter folgen Die Grünen. Auf den letzten Rängen tummeln sich dann die FDP und als Schlusslicht die AFD. Auch nicht überraschend. Wenn ich an die letzten Tage der DDR denke, dann fallen mir vor allem zwei historisch wichtige Sätze ein, die mir heute noch einen Schauer über den Rücken jagen, wenn ich daran denke. „Wir sind das Volk“ und „Die Mauer muss weg“. Das Volk einer Diktatur begehrt auf, um Recht, Freiheit und Demokratie zu fordern. Es ging ums Ganze. Menschen wurden zuvor eingesperrt, wenn sie die Regierung öffentlich kritisierten. Menschen wurden eingeschüchtert und drangsaliert, wenn sie diesem Land den Rücken kehren wollten und einen Ausreiseantrag stellten. Andere Menschen wurden überwacht, bespitzelt und verfolgt und waren am Ende Freiwild für die staatlichen Organe. All das ging mir durch den Kopf, als ich diese Sätze, zum Teil in abgewandelter Form Jahre später in den Berichterstattungen zu den Pegida-Demonstrationen hörte. Wir sind das Volk und Merkel muss weg. Das erschütterte mich und machte mich wütend. Vor allem war es ein Schlag ins Gesicht derer, die unter dem Regime der DDR litten und die all die genannten Repressalien durchleben mussten. Für Menschen, die diese Sätze missbräuchlich für ihre fremdenfeindlichen, rassistischen und rechtspopulistischen Zwecke nutzten, kann ich kein Verständnis aufbringen. Wir leben in einem freien und demokratischen Land. Und noch werden wir von Parteien vertreten, die diese Werte und Rechte verteidigen. Das ist nicht selbstverständlich. Viele Menschen auf dieser Welt beneiden uns darum. Und trotz der Kritik an der Politik, den unterschiedlichsten Ansätzen der agierenden Parteien, sind diese Demokraten glücklicherweise in der Überzahl. Dass das so bleibt, liegt an uns. Den Wählern. Denn gleichzeitig stehen die Rechtspopulisten und Antidemokraten in ihren Startlöchern und hoffen endlich zum Zuge zu kommen. Das bereitet mir Sorge. Je weiter wir uns vom Nationalsozialismus und der DDR zeitlich entfernen, umso weniger scheinen unsere errungenen Werte eine Rolle zu spielen. Anders kann ich mir die Sympathie und die Wahlerfolge der Rechtspopulisten auf dieser Welt nicht erklären. Welche Faszination geht von solchen Gruppen aus, die unser aller Freiheit und unsere Rechte auf´s Spiel setzen? Man sehe nach Ungarn, nach Polen, nach Österreich, in die Schweiz, in die USA oder in die Türkei. In einigen dieser Länder sind bereits erhebliche Einschnitte der demokratischen Grundsätze vorgenommen worden. In anderen gibt es erste Anzeichen und Konsequenzen, die nicht nur die Menschen im eigenen Land zu spüren bekommen, sondern auch der Rest der Welt. Wollen wir das? Wollen wir riskieren unsere Informationsfreiheit, die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit oder die Kunstfreiheit zu verlieren. Letzteres steht unter anderem im Grundsatzprogramm der AFD in Sachsen mit den Worten „Kultur darf kein Tummelplatz für soziokulturelle Klientelpolitik sein.“ Somit sollen einem Großteil der freien Theater die Gelder gestrichen werden, weil den Herrschaften die Inhalte des Dargebotenen nicht passt. Auch gab es in den Jahren zuvor von ihnen immer wieder Verbotsanträge für diverse Konzerte kritischer Bands und Musikgruppen. Und das wäre nur ein Anfang für ein Einschränken der Grundrechte. Bei Pegida und ähnlichen Aktionsbündnissen warnte man seitens der Politik nur vereinzelt und vorsichtig den Rest der Republik vor deren Islam- und Fremdenfeindlichkeit und den rechtsradikalen Einflüssen. Sobald sich aber der sogenannte besorgte Bürger in die Menge der Demonstranten einreihte, wollte man plötzlich sogar einen Dialog. Der Satz „Ich bin kein Nazi, aber...“ wurde über die Medien zigfach wiedergegeben. Ich kann ihn echt nicht mehr hören. Wir brauchen hier keinen Dialog. Denn ein Rassist wird weiter Rassist sein. Und rechtes Gedankengut, egal wie man es umschreibt, bleibt rechtsradikal. Und jemand, der meint, er müsse sich diesen Leuten anschließen, der hat sich dazu entschieden. Das einzige, was zu tun ist, ist menschenverachtenden, rassistischen und antisemitischen Aktionen und Ideen entgegenzutreten. Nicht mit ihnen marschieren, wie z.B. die AFD. Meuthen, Gauland, Weidel und Co freut es sowieso, wenn sie durch solche Aktionen ihr Wählerpotential erweitern können. Und jeder Protestwähler ist ihnen auch recht. Egal woher. Protestwählen ist in Ordnung. Das ist ein Recht und die Freiheit eines Jeden. Aber mal ehrlich: warum muss es gerade die AFD sein? Eine Partei, die ein völlig antiquiertes Familienbild propagiert, die antisemitisch und ausländerfeindlich agiert, die Grenzen aufbauen will, behinderte Kinder separieren und in Sonderschulen stecken will, die den wissenschaftlich bewiesenen Klimawandel lange Zeit bestreitet, völlig unbegründete Angst verbreitet, demokratische Werte einschränken will, mit Rechtsradikalen kein Problem hat, populistisch vorgeht und als Partei im Vergleich den geringsten Frauenanteil hat? Warum sollte man ernsthaft eine Partei wählen, die in Parlamenten einen Großteil von Mitgliedern zu sitzen hat, die keinerlei politische Erfahrung haben? Sorry, ich hole mir ja auch keinen Hobby-Handwerker ins Haus, der nur auf Youtube gesehen hat, wie etwas funktioniert... Warum? Bei mir würden schon bei einem Fakt alle Alarmglocken klingeln. Und dabei ist diese Liste sicher nicht komplett. Wer sich mit diesen unsäglichen Attributen, mit diesem Handeln und Denken identifizieren kann, der möge entsprechend wählen. Es steht jedem frei. Aber hier kann ich nur hoffen, dass es die wenigsten sind. Alle anderen, die tatsächlichen Protestwähler haben genügend alternative Möglichkeiten, ihren Unmut kundzutun. Bei der letzten Europawahl standen schließlich insgesamt 41 Parteien zur Wahl. Selbst die Partei Die Partei von Martin Sonneborn wäre eine weit bessere Alternative zum Protest gewesen, als die AFD. Denn diese fordert nichts ernstes, hat nur satirische Absichten, macht nichts und es ist ihnen egal. Im Übrigen: Glückwunsch zu zwei Mandaten im EU-Parlament, Herr Sonneborn! Nun liegt es an den demokratischen Parteien mit ihrer Politik, dieser Ausgangslage und dieser Bedrohung entgegenzutreten. Hier hätten sie ein Thema, dass sie alle eint. Dämonisieren der rechten Ränder, Ausgrenzen oder gar Ignorieren hilft nicht. Bekämpfen, aufklären und sich daran erinnern, was ihre Aufgabe ist. Den Menschen, die sie gewählt haben dienen.