“Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.(Woody Allen).”
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LARIFARI

Kapitel 08 Die Verwaltung

„Mein Projektplan kommt durcheinander!“ Diesen Satz habe ich in den letzten Jahren mehrmals gehört. J. ist ein Planer. Das ist sein Job im richtigen Leben. Verkäufer und Planer. Immer einen Schritt voraus sein. Wissen, was kommt. Man kann Kreativität nicht planen. Vor allen Dingen nicht, wenn man ein solches Projekt, neben seinem normalen Gelderwerb auf die Beine stellen möchte. Ich habe sicher einen Vorteil, dass ich in Teilzeit arbeite. Somit kann ich mir die Stunden für meine musikalischen Arbeiten nehmen, wenn ich sie brauche. Ich habe nichts gegen eine gewisse Planung im machbaren Rahmen. Bestimmte Schritte müssen überdacht werden. Was möchte ich? Wie gehe ich dabei vor? Was ist die Grundlage für einen nächsten Arbeitsschritt? Eine Planung sollte durchdacht sein. Meine Zielvorgaben für das Stück musste ich mir ebenso überlegen, wie jeder andere in unserem Projekt. Aber diese enthalten kaum Zeitplanungen. Sie sind eher auf Alternativen bezogen. Wenn man hingegen übertreibt, dann finde ich, ist dies verlorene Zeit. Einen umfassenden Projektplan zu erstellen hat sich J. zum Ziel gesetzt. Tabellen, mit Eventualitäten, mit Spekulationen und aus der Luft gegriffene Arbeitszeiten lagen mir vor. „Frank, wie lange brauchst Du, um einen Song zu komponieren?“ Blöde Frage! Woher soll ich das wissen. Ich wusste, wie lange ich an meinen Plattenproduktionen gearbeitet hatte – nachdem diese beendet waren. Ich habe jedoch keinen Schimmer, wann mich die Kreativität überfällt! Zeitweise kann so etwas in einer Stunde erledigt sein. Andere Titel dagegen benötigen Wochen! Ich weiß ja noch nicht einmal, wann ich einen Text erhalte. Nein, J. möchte es genau wissen. Alles im Leben und in der Arbeit ist planbar, sagt er. Am liebsten hätte er einen Aufführungstermin berechnet. Autor M. schreibt eine Seite am Tag, Komponist F. arbeitet exakt 72,5 Stunden, um einen Song fertig zu stellen, Sänger Z. hat 48,32 Stunden Zeit, um diesen einzustudieren. Gut, ich übertreibe jetzt möglicherweise, aber so funktioniert das eben nicht. Der Hintergedanke war, den Arbeitsprozess einer Firma, die ein Produkt herstellt, auf unser Projekt zu übertragen, so dass J. dem „Endabnehmer“ Zahlen präsentieren kann. Stunden, die er und die anderen Mitstreiter benötigt haben, um dieses Musical und die anderen geplanten Arbeitsstränge zu kreieren. Er ist wahrhaft der Überzeugung, diesen Stunden einen Arbeitslohn zuzuordnen, um den verbindlichen Verkaufspreis zu erhalten. Allein hier gehen unsere Meinungen nicht nur auseinander, sie entbehren sogar jeglichen Grundlagen. Ein Musical kann man nicht verkaufen, wie ein Auto. Ein Musical hat, abgesehen von Auftragsproduktionen, gar keinen Wert. Zumindest so lange nicht, bis es viele Menschen kennenlernen. Erst an diesem Punkt kann eine Produktion oder eine Marke wachsen und Werte schaffen. J.´s Ambitionen sind ja folgende: Wir arbeiten bis zu einem bestimmten Punkt, ohne Hilfe und Mittel von außen, sprich: der Industrie. An diesem Punkt gibt er dann dieses Projekt aus den Händen. Seiner Meinung nach kümmern sich dann fremde Leute um die Umsetzung und alles andere interessiert dann vorerst nicht mehr. Im Endeffekt möchte er natürlich zur Premiere geladen sein und „sein“ Werk genießen. Da weiß ich schon jetzt, dass ein solcher Ansatz nicht funktioniert. Ich möchte als Künstler möglichst den Weg mitbestimmen, den ein Werk nehmen könnte. Ich möchte aktiv daran beteiligt sein. Ich habe keine Lust, mir ein zusammengekürztes oder entstelltes Bühnenstück ansehen zu müssen, wo gar mein Name in großen Lettern dahinter stehen wird. Das wird J. vielleicht nicht verstehen. Auch die Idee, Arbeitsstunden einem errechneten Lohn gegenüber zu stellen wäre im Verkauf ein Desaster. Die Reaktion eines Produzenten möchte ich erleben, wenn man ein solches Angebot unterbreitet. Wir wurden überschüttet mit Planungen. J. beklagte sich sogar, dass diese Aufgabe zu viel Zeit beanspruche und er kaum noch welche für andere Dinge hätte. Diese Arbeit hätte er im Übrigen liebend gern anderen übertragen. Sogar potenzielle Anwärter hatte er im Sinn. Sein Arbeitsleben auf das Musical und all die anderen gestellten Aufgaben zu projizieren, halte ich für wenig sinnvoll. Ich sprach mit ihm darüber, dass dies kaum möglich sei, da wir über keinerlei Erfahrungen in sämtlichen über- und untergeordneten Bereichen einer Theaterproduktion verfügten. Ich verglich unsere Bemühungen mit einem Hausbau. Eine erfahrene Firma muss, wenn sie ein Bauwerk errichten möchte eine Planung erstellen, damit sie einen Schlüsselübergabetermin vereinbaren kann. Das funktioniert hingegen nur, wenn Erfahrungen aus anderen Bauprojekten übernommen werden konnten. Diese Firma plant dann mit X Leuten, um in der Zeit Y einen Keller zu bauen. Jeder dieser beteiligten Personen weiß, was zu tun ist. Also kann die Firma einen genauen Plan erstellen, wann die Bodenplatte verlegt wird und wann die Maurer beginnen können. Das alles errechnet sich aus den Erfahrungen. Sogar hier, und das wird mir jeder Bauherr bestätigen können, klappt das nicht immer. Wir dagegen wissen ja nicht einmal, wie man einen Keller entwirft, wie er aussehen muss, geschweige denn wie man solch einen baut! Bereits hier scheitert eine Planung, welche Zeit dafür in Angriff genommen werden muss. Ich denke, man kann sich Ziele setzen und Alternativen für jeden Prozess ersinnen. Mehr nicht. Einen „Schlüsselübergabetermin“ können wir nicht berechnen. Man muss viel ausprobieren. Wir haben etliche unbekannte Faktoren, die nicht schätzbar sind. Wenn ich mir das Projektmanagement oder die vielen geplanten Arbeitsstränge für unser Projekt anschaue, dann denke ich zeitweise an diesen „virtuellen“ Hausbau. Aber das ist in diesem Fall eine Hausplanung, wo ich noch nicht einmal weiß, wie groß das Grundstück ist, auf dem ich es errichten kann. Vor allen Dingen muss man sich an dieser Stelle ins Gedächtnis rufen, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal einen Ansatz oder eine Grundidee für dieses Musical besaßen. Weiterhin liebt und benutzt J. sogenannte Mindmaps. Übernommen aus seinem Arbeitsleben, kann eine solche Unterstützung hilfreich sein. Vorausgesetzt, man erarbeitet ein solches Dokument in der Gemeinschaft. Wenn man in einer Gruppe, in einem Raum so etwas konzipiert, wäre es in Ordnung. Da wir indessen geographisch an verschiedenen Orten sitzen, käme in diesem Fall nur eine Software-Variante in Frage. J. besitzt als einziger in unserer Gruppe eine solche Software.