LARIFARI
Kapitel 58 Man sollte aufhören, wenn´s am schönsten ist
Juli 2016
Mehr als zwölf Jahre sind vergangen, dass eine schöne Idee im Raum stand. Zehn Jahre ist es her, dass ich mit diesen Aufzeichnungen begann. Vor vier Jahren
schrieb ich zuletzt daran. Es gerät in Vergessenheit.
Nachdem ich selten an diese Aufzeichnung dachte, geschweige denn darin schrieb, ist es Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Die von mir beschriebene
Müdigkeit, die mich zum Musical befiel, kehrte schnell zurück. Ich werde es darauf beruhen lassen. Worauf möchte ich warten?
Ich hoffte immer, dass ich eines Tages von Jörg eine Mail, einen Anruf oder eine andere Rückmeldung erhalten werde: Ja, er hätte sich dazu durchgerungen,
meine Überarbeitung zu lesen, oder wenigstens meine Kompositionen in voller Länge angehört. Es kam nicht dazu. Stattdessen wurde die Kommunikation
weniger. Wenn es hoch kommt, telefonieren wir alle zwei Monate miteinander und treffen uns einmal im Jahr. Ich gebe zu, dass ich daran nicht ganz unschuldig
bin. Mein Zeitrahmen ist durch meine zweite Tochter eingeschränkt. Ich nehme mir gern diese Zeit für mein Kind und bin glücklich damit. Prioritäten ändern
sich.
Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass ich musikalisch untätig bin. Ganz und gar nicht. Mein Akustik-Projekt hat sich weiterentwickelt. Einige Konzerte sind
gespielt worden und eine neue Plattenproduktion steht an. Wenn es gut geht, werde ich diese als CD unter altem Bandnamen veröffentlichen. Die Aufnahmen
laufen. Mit diesem Ergebnis bin ich weiter, als mit dem Musical. Kein Wunder, denn ich bin wieder zurück in der Drei-bis-vier-Minuten-Fraktion. Meine kurze
Reanimations-Phase zur Umarbeitung brachte das Projekt zwar um einige Schritte voran, aber wenn sich am Ende keiner dafür interessiert...
Ich denke, dass ich nie eine Aufführung meiner Arbeit erleben werde. Ich bin darüber nicht unglücklich. Ich weiß, dass ich mir mit der Mitarbeit zu diesem
Musical falsche Hoffnungen machte. Ich erkenne heute den Fehler, dass mit einer Meute von Amateuren, zudem kaum bewandert in diesem Metier, so eine
Aufgabe nicht gelingen kann. Vielleicht sollte alles so sein. Einen Anteil an Fehlentscheidungen und den unbefriedigenden Ergebnissen trage ich selbst. Ich habe
mich mitreißen lassen und trug eine zu große Portion Optimismus in mir, die mich davon abgehalten hat, das Projekt früher zu beenden. Aber auch hier bereue
ich nichts.
Sie fragen sich jetzt, warum ich es nicht allein zu Ende gebracht habe? Aus diversen Gründen. Zum einen ist und bleibt Jörg der Initiator. Das Projekt war sein
Baby. Auch wenn ich viele Ideen entwickelt habe, einen Großteil geschrieben und erdacht habe, könnte ich heute nicht mehr jeden Fakt und jede Situation aus
dem Manuskript bestimmen, die meiner Fantasie entsprang. Es gab zu viele Köpfe, die dazu beigetragen haben: Andreas, Rainer, Manfred, Nina, Torsten,
Stephan, der Regisseur, ich und zu guter Letzt Jörg selbst. Ich möchte nichts für mich beanspruchen, was rechtlich nicht eindeutig gelagert ist. Zum Zweiten
arbeite ich ungern allein. Ich hätte mir einen zweiten kompetenten Kopf gewünscht, der mich bei diesem Vorhaben unterstützt. Jemanden, der nicht nur eine
Meinung und Ratschläge bereithält, sondern mit mir arbeitet. Diesen Einen habe ich für dieses Projekt nie kennen gelernt. Selbst wenn, wäre auch Jörg wieder
im Spiel, der alles absegnen müsste. 2007 oder 2008 wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, diese Unterstützung zu erhalten. Zum Dritten ist meine Euphorie und
das Feuer, dass ich fing, langsam erloschen. Der Prozess fand in einem langen Zeitrahmen statt. Zu viel Freizeit und unnötig aufgewendete Stunden sind
vergangen, die ich gern anders genutzt hätte. Produktiver und ergebnisreicher. Nicht jede dieser Stunden war vergeudet. Aber jede verschenkte, die es zur
Genüge gab, hat mehr Desinteresse und Frustration erzeugt, als ich zugeben möchte. Zudem müsste ich heute zwischen Kinderbetreuung, Familienfreizeit und
Musical wählen. Die Wahl würde ganz klar gegen das Musical ausfallen.
Ich wünsche Jörg, dass er eines Tages erkennt, was wir erschaffen haben. Das er dieses Ergebnis, auch wenn es kein endgültiges Musical ist, würdigt und
darüber nachdenkt, warum diese Aufgabe gescheitert ist. Ebenso würde ich mir wünschen, dass er sich hinsetzt und seinen Roman über Commander Jameson
schreibt. Allein seinen Gedanken folgt und Ideen entwickelt, ohne andere dafür einzuspannen. Im Grunde seines Herzens weiß er, was niedergeschrieben
werden muss. Ich selbst würde gern Leser sein und die Geschichte verfolgen.
Am Ende bleiben nicht mehr als diese Aufzeichnungen, unvollständige Demo-Songs, ein Manuskript und viele Erfahrungen. Es war ein Scheitern eines Projektes,
aber eine Bereicherung meines Lebens.