LARIFARI
Kapitel 59 Das Resümee
März 2019
Auf der Suche nach Jameson. Commander, oder was er in unserem Zeitabschnitt der Geschichte bereits ist, Käptn Jameson. Anfangs gab es nur einen Namen
mit Berufsbezeichnung. Ohne Gesicht, ohne Lebenslauf und ohne Vornamen. Habe ich ihn gefunden? Im Prinzip ja. Ich kenne ihn, weiß, wie er tickt, wie er denkt
und mit wem er unterwegs war. Ich kenne auch im Groben seine Vergangenheit und das, was geschah. Was ich nicht gefunden habe, war ein Weg ihn einer
breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Obwohl ich zu vielem bereit war.
Wir schreiben das Jahr 2019. Ein wenig mehr als 15 Jahre ist es nun her, dass ich eine Anzeige "Suche Mitstreiter für ein Musical-Projekt" las. Vor 15 Jahren
meldete ich mich darauf und ließ mich auf ein Abenteuer ein, bei dem ich oft zweifelte und mich einige Male fragte, ob es das wert war, viel Energie
aufzubringen. 15 Jahre lang begleitet mich die Geschichte rund um Jameson mit all seinen Höhen und Tiefen, mit Euphorie und Enttäuschung, mit vielen Ideen,
Arbeit und langem Warten. Wenn man es genau nimmt, waren es eigentlich nur knapp 5 Jahre, in denen wir uns intensiv mit dem Musical beschäftigten. Von
November 2004, unserem Braunschweig-Treffen bis zum Sommer 2009, als der letzte Teil unserer Eröffnungs-Sequenz geschrieben war. Alles davor, war
Strategiefindung und alles was folgte, waren wohl eher Nachwehen. Keine Frage, die ersten Jahre waren äußerst spannend und lehrreich. Auch die Rückschläge
und unzähligen Lernprozesse. Ich habe viel über das Schreiben und Erzählen von Geschichten erfahren und mich mit Musikwerken beschäftigt, die vorher in
meinen Kompositionen kaum eine Rolle spielten. Das möchte ich nicht missen. Meine Aufzeichnungen, geschweige denn der Blog oder der Podcast würden
heute existieren, hätten wir früher aufgegeben.
Dass Jörg selbst für dieses Unternehmen, diesem Projekt gar nicht bereit war, wurde ihm wahrscheinlich erst bewußt, als es zu spät war und alle Beteiligten
absprangen. Dass Bühnenkunst aus Kompromissen besteht, und sei es nur die Einschränkung durch Grenzen einer Theaterbühne, damit fand er sich nicht ab.
Und er stand sich regelmäßig selbst im Wege. Hätte er sich anders vorbereitet, hätte er sich eigene Grenzen gesetzt, wo er sich einbringen kann und wo nicht,
wäre vielleicht einiges anders verlaufen. Am Ende hat ihm ein realistischer Plan gefehlt, der Eckpunkte setzt. Keine technischen oder organisatorischen, sondern
Eckpunkte eines Plans, die ihm aufzeigen, wo und wann er loslassen muss, um anderen Freiraum zu geben, etwas zu entwickeln. Dieser Freiraum hat
wahrscheinlich allen Beteiligten gefehlt. Kreativität braucht Luft und Weite, um sich entfalten zu können. Kein Eingrenzen, geschweige denn Beschneidung. Ein
weiteres Defizit, über das er stolperte, war sein Festhalten an Dingen und die Prioritätensetzung. Ich hätte mir an manchem Tag gewünscht, dass
Entscheidungen oder manch erkämpfter Kompromiss Bestand haben. Und nicht, dass wir bei einigen Inhalten immer wieder zum Anfang zurücksprangen. Er
konnte sich nicht lösen von den wenigen Ideen seiner Songs, die wie in Beton gegossen schienen und anderen Gedanken und Überlegungen im Weg standen.
Ich bedauere dies von ganzem Herzen, weil immer wieder fantastische Einfälle im Raum standen, die es nur deshalb nicht schafften, weil sie nicht dem
Ursprung entsprachen. Was hätte es zudem geschadet, sich mit dem auseinanderzusetzen, was bereits da war. Den Fokus auf das bereits Erschaffene zu legen,
statt mit immer neuen Ideen Nebensächlichkeiten voranzutreiben. Der Form eines Librettos zum Beispiel, der Suche nach Plattformen zum Austausch, oder
einer Finanzierung des Musicals. Nein, hier hat tatsächlich der Blick für das Wesentliche gefehlt. Die To-Do-Liste hätte man weit kürzer halten können.
Auch ich trage eine Mitschuld am Scheitern des Projektes. Ich hätte wahrscheinlich konsequenter daran festhalten müssen, nur für die Aufgabe zur Verfügung
zu stehen, für die ich mich anbot. Für das Schreiben und dem Komponieren der Musik. Stattdessen brachte ich mich in Prozesse ein, von denen auch ich keine
Ahnung hatte und diese erst erlernen musste. So gut es ging. Umso mehr verbanden mich später diese Arbeiten mit dem Gesamtprojekt. Zu oft sagte ich nicht
nein, wenn ich bemerkte, dass wir uns in eine Sackgasse manövrierten und ich gab bei Auseinandersetzungen zu schnell auf, obwohl ich sehr wohl wusste, dass
man nur logischen und machbaren Aufgaben folgen kann. Vielleicht hätte ich auch auf die Freiheiten bestehen, und mich mit den anderen Beteiligten
zusammenschließen müssen. Mit Jörg als außenstehenden Betrachter. Wäre er damit nicht einverstanden gewesen, hätte er die Wahl gehabt – selbst etwas zu
liefern, oder die anderen machen zu lassen. Wie es letztendlich gelaufen ist, war keine gute Grundlage. Jörg etwas zu liefern und ihn allein entscheiden zu
lassen, ob es seinen Vorstellungen beziehungsweise seinem Geschmack entspricht. Viel kreatives Potential ist damit verschwendet worden.
Wir scheiterten an menschlichen Schwächen, nicht weil uns die Ideen fehlten, oder der Wille.
Habe ich wirklich daran geglaubt, ein Musical zu schreiben? Anfangs schon. Ich war sogar überzeugt davon. Meine Euphorie sorgte schließlich dafür, dass mich
die Komponierwut regelrecht überfiel. Allein 160 Musik-Ideen wurden festgehalten, wenn auch zum Teil nur sehr kurze. 90 Stücke standen letztendlich zur
Auswahl, 31 Musikstücke entstanden, von denen 24 gesungen wurden. Ein ganzer Teil davon wäre wahrscheinlich im Musical gar nicht aufgetaucht, weil es
zuviele waren. Noch heute greife ich auf meine damaligen Schnipsel zurück, wie z.B. für diesen Podcast. Das Einleitungsstück ist eine der Ideen, die es nicht
einmal in die engere Auswahl geschafft haben. Durch das ewige Warten auf unsere Autoren wurde meine Begeisterung zwar gedämpft, aber ich hielt noch
immer daran fest, dass wir es schaffen sollten. Erst der Schreibprozess des Librettos holte mich ein wenig in die Realität. Denn ab diesem Punkt, konnte ich
selbst nicht mehr einschätzen, ob das, was man schrieb auch tatsächlich gut ist. Man hatte keinen Abstand mehr. Schon hier wurden die Kompositionen in den
Hintergrund gedrängt. Die Jahre wurden mehr und ich pfiff schon zum Teil sämtliche Melodien. Auch wenn die Songs noch gar nicht fertig waren. Ab hier
bestand bereits die Gefahr, dass sich diese Musik innerlich manifestierte. Somit wird es schwerer, sich bei einer weiteren Bearbeitung von Melodien oder
Strukturen zu lösen. Torsten, und dass muss ich zugeben, war in der Einschätzung, was aus diesem Projekt wird, Realist. Schon frühzeitig sah er die möglichen
Probleme und Schwierigkeiten und prophezeite, dass er das Stück nicht auf einer Bühne sieht. Es hielt ihn aber nicht vom Schreiben ab. Ein Hörspiel läge näher,
meinte er. Noch heute spricht er mich auf die Musikstücke an. Ihm gefielen sie. Mach doch einfach eine CD daraus, bat er mich. Naja. Darüber nachgedacht
hatte ich ja relativ früh. Ob ich es tatsächlich eines Tages umsetzen werde, weiß ich nicht. Jetzt stehen erstmal andere musikalische Aktivitäten im Vordergrund.
Auch wenn einige Leser oder Zuhörer manche Situation unterhaltsam fanden, war es für mich nicht immer einfach, meine Emotionen zurückzuhalten oder zu
unterdrücken. Nicht umsonst musste ich diese Dokumentation beginnen, um meinen Frust loszuwerden. Einige Einträge meiner Aufzeichnungen sind geprägt
von Unverständnis, einer unterschwelligen Wut und meiner Ungeduld. Der Zwiespalt zwischen dem "etwas erschaffen wollen" und dem "immer wieder
Ausbremsen" war kein einfacher und hat mich oft auf die Probe gestellt. Es tut mir natürlich selbst irgendwie leid, wie ich manche Situation beschreibe und mich
über vieles beschwere. Aber am Ende war dies meine Sicht der Dinge und mein Empfinden zum jeweiligen Zeitpunkt der Einträge. Ganz klar, es war einseitig.
Mich würde interessieren, wie es die anderen empfunden haben. Teilen sie meine Ansichten, oder erinnern sie sich heute anders? Vielleicht sollte ich auch das
nochmal zum Thema machen. Dafür bietet sich der Podcast regelrecht an.
Ich habe immer unterschieden zwischen Jörg, dem Mitstreiter am Musicalprojekt und Jörg, dem Privatmenschen. Auch wenn ich einige seiner persönlichen und
privaten Situationen beschrieb, waren dies immer Dinge, die einen direkten Einfluss auf unsere Arbeit hatten. Unseren privaten Umgang beeinträchtigte dies
nie. Das ist auch noch heute so. Ich kann mich ganz fabelhaft mit ihm über viele Dinge und Themen stundenlang unterhalten. Er ist ein Mensch mit Ecken,
Kanten und Prinzipien. Das habe ich akzeptiert und man ändert es nicht.
Meine Arbeit an dem Musicalskript 2012 war ein Funke, der in allerletzter Sekunde das Feuer nochmal entfacht hätte. Da bin ich mir sicher. Selbst, wenn ein
ganzer Teil meiner Überarbeitungen nochmals zur Disposition gestanden hätten, wäre ich nicht unglücklich gewesen, wenn bessere Ideen diese ersetzt hätten.
Da bin ich eher pragmatisch, wenn es der Sache dient. Die Gelegenheit war da, aber Jörg hat sie verstreichen lassen. Wie ich in meinem letzten Artikel bemerkte,
hatte er das Dokument bis dahin nicht einmal gelesen. Genauso wenig, wie er sich mit den Musikstücken beschäftigte. Erklären kann ich es nicht und verstehen
werde ich es auch nicht. Und wer weiß, ob er es später dann doch irgendwann nachholte. Er sprach nicht darüber. 2012 lag der Abschluß des Original-Skripts
bereits 3 Jahre zurück. Denke ich zurück, hätte ich es dabei belassen müssen. Es hätte keinen Unterschied gemacht.
Dass ich 2016 tatsächlich noch einen Artikel meinen Aufzeichnungen hinzufügte, war Zufall. Hätte ich nicht meine Computerordner sortiert, wäre ich
wahrscheinlich auch nicht daran hängengeblieben. Am Ende, um festzustellen, dass das Projekt gescheitert war und ein Schlußstrich gezogen werden musste.
Dieser letzte Eintrag fiel mir realtiv schwer. Denn damit musste ich mir eingestehen, dass es zu Ende ist. Jahrelang redete ich mir ein, dass alles auf Eis gelegt
war, dass sich vielleicht noch einmal etwas ändern könnte. Aber ich wußte weit vorher, dass das Quatsch war.
Spätestens seit Oktober 2014, als ich die ersten Kapitel meiner Aufzeichnungen in meinem Blog der Öffentlichkeit vorstellte. Der Abstand war da, der Entschluß
dazu längst getroffen und der Abschied von diesem Projekt innerlich abgeschlossen.
Was ist aus all den Mitstreitern geworden? Ich kann es nur für wenige beantworten. Von Rainer, Manfred und Roland habe ich bis heute nie wieder etwas
gehört. Mit Stephan und Nina hatte ich nur nochmal kurzzeitig und zuletzt 2012 Kontakt. Ich weiß, dass Nina geheiratet hatte, ein Kind bekam und aus Berlin
wegzog. Auch, dass sie einige Romane veröffentlichte. Mit Andreas, unserem Graphiker stehe ich noch in Kontakt. Auch er hat geheiratet und lebt seit vielen
Jahren in den USA. Noch immer ist er künstlerisch tätig und bestreitet damit seinen Lebensunterhalt. Torsten führte eine lange Zeit ein Postunternehmen und
ist der Schreiberei treu geblieben. Er veröffentlichte in den letzten Jahren mehrere Gedichtbände, ein Kinderbuch, sowie einen Kurzgeschichtenband. Ende
letzten Jahres gab es erfreulicherweise eine erneute Zusammenarbeit. Wir schrieben ein Weihnachtslied für eine junge Sängerin aus Niedersachsen und
veröffentlichten dieses. Auch mit Jörg halte ich den Kontakt, wenngleich Telefonate oder Besuche eher Seltenheit sind. Auch er heiratete seine Freundin und
machte sich eines Tages selbständig. Noch immer klagt er, dass er seine Musik-Arbeitsumgebung selten sieht und tatsächlich sprechen wir ab und zu über das
Musical. Er weiß heute, dass wir viele Fehler gemacht haben. Dass ich vieles, was passiert war aus meiner eigenen Perspektive erzähle, akzeptiert er. Er kennt
dieseAufzeichnungen und meinen Podcast.
Auch in meinem Leben hat sich einiges getan. Ich habe wieder geheiratet und sehe noch immer zu, dass ich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen meinem
Privatleben und der Musik erhalten kann. Mein Musikprojekt "The Maze" entwickelt sich prächtig. Wir haben weitere Konzerte geben können und die in meinem
Podcast besprochene CD-Produktion konnte abgeschlossen werden. Derzeit sind wir in den Vorbereitungen, sie zu veröffentlichen.
Wenn ich mich in meinem Studio umschaue, fällt mein Blick immer wieder auf die vielen Filmbänder des Projekts. Wir drehten das meiste im Format 4:3 und in
einer Auflösung, die seit vielen Jahren nicht mehr gängig ist. Veraltet. Genauso wie die Idee zu dem angedachten Dokumentarfilm. Wahrscheinlich würde jedes
gängige Smartphone heutzutage bessere Bilder liefern, als wir sie mit diesen Aufnahmen zeigen könnten. Ob ich diese Bänder jemals verwenden werde, habe
ich noch nicht entschieden. Irgendwie hängt man ja auch daran.
Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Thema des Jameson – Musicals für mich nochmal eine Rolle spielt. Auch, wenn es nur um eine Aufarbeitung ging. Im
Zuge der Erstellung des Podcasts ging mir vieles nochmal durch den Kopf. Mit dem Wissen von heute fragte ich mich einige Male, warum ich nicht anders
handelte, obwohl ich oft die Probleme erkannte. Sei es, wie es ist. Die Geschichte ist erzählt. 130 DIN A4 Seiten, insgesamt 30 Podcast-Folgen, 56 (korrekte)
Kapitel und ca. 8 Stunden Hörzeit sind dabei zusammen gekommen. Ganz erstaunlich finde ich , dass der Podcast und diese Website überhaupt gefunden und
tausendfach abgerufen wurden. Ohne, dass ich jemals dafür Werbung gemacht, oder es auf irgendeiner Social Media Seite veröffentlicht hatte. Das sollte ich
wahrscheinlich eines Tages nachholen. An dieser Stelle möchte ich mich auch nochmal ganz herzlich bei all meinen Hörerinnen und Hörern, meinen Leserinnen
und Leseren bedanken. Danke, dass ihr mich begleitet habt und mir wöchentlich gefolgt seid.