LARIFARI
Kapitel 11 Ein Anfang und erste Schwierigkeiten
Die Hauptcharaktere waren gefunden, die Produktion unseres Vorhabens konnte beginnen. Ich wartete. Es passierte: vorläufig nichts. Es schien, als wartete
jeder auf den anderen. Bevor wir letztendlich einstaubten, beschlossen wir, diesem Verharren ein Ende zu setzen. Aus diesem Grunde planten wir wenige
Wochen später ein Treffen mit allen Mitgliedern, in dem erste Ideen unseres Musicals beschlossen werden sollten. Es war fast ein Jahr vergangen und außer ein
paar Musikschnipseln, dem benannten roten Faden (später dann „Red Line“, mittlerweile „Aorta“) und unzähligen Planungsdokumenten gab es bis dato nichts,
was auf ein Musiktheaterstück hinwies. Das Treffen musste stattfinden.
Die Geschichte unseres Helden sollte Science-Fiction sein. Das gefiel mir. (Leider gibt es keinen annähernd verständlichen deutschen Begriff, mit dem man ihn
verbinden könnte.) Mit solch einer Vorgabe ist der Interpretationsraum für eine Geschichte und der Musik groß und unerschöpflich. Also genau das Richtige für
ein Bühnenstück. Meine Frau meint, solche Inhalte sei nur etwas für Männer und Kinder. Warum eigentlich? Hierbei bezieht sie sich natürlich vorrangig auf
Filme, in denen immer „rumgeballert“ wird. Phaserkanonen, Traktorstrahlen und Antriebe mit Lichtgeschwindigkeit findet sie albern. Dabei gehe es um keine
Inhalte, sondern nur um Optik und Effekthascherei. Nun gut, das kann ich verstehen, weil ich Filme, deren Existenz rein auf optischen Fundamenten stehen,
nicht besonders mag. Die Star Wars – Filme klammere ich ausnahmsweise dabei aus. Auf der anderen Seite steht natürlich die Frage im Raum, wie jeder für sich
Science-Fiction definiert. Für die einen ist es eine mögliche Zukunftsdarstellung, für andere hingegen ist es reine Utopie. Die Inhalte von Jules Verne´s Romanen
waren in seinen Erscheinungsjahren ebenfalls unvorstellbar. Eine Reise zum Mond – nie im Leben könnte so etwas Realität werden, dachten dabei sicherlich die
meisten Leser zu jener Zeit. Aber auch wenn meine Frau sich über solche Dinge lustig macht, dass man sich für Inhalte der Science Fiction begeistern kann, kann
sie nicht bestreiten, dass es seinen Reiz hat, darüber nachzudenken. Was könnte möglich sein, woran wir heute nicht zu denken wagen? Sie selbst wurde
schließlich durch einen Besuch des Kennedy Space Centers in Florida vor einigen Jahren überrascht, welche Faszination dieses Thema auf sie ausübt.
Wenn man sich hingegen anschaut, was hier in Deutschland unter SciFi-Musicals lief, fielen mir im Moment nur zwei Bühnenstücke ein. Und die waren nicht
besonders erfolgreich. Das lag unter anderem daran, dass die Produktionen halb auf englisch, halb auf deutsch aufgeführt wurden und sich die Macher,
meinem Geschmack nach, inhaltlich keine besondere Mühe gegeben haben.
J.´s Ideen, Aufzeichnungen und Ansätze erstreckten sich über einen Zeitraum von über 400 Jahren. Er bezieht sich in seinen Erläuterungen und Ideen auf das
Hier und Jetzt. Politische, ökonomische, umwelttechnische und andere Bereiche aus dem heutigen Leben spielen dabei eine Rolle. Aufgrund dieser Fakten, ist es
natürlich besonders schwer, eine fortlaufende Geschichte zu kreieren. Er versucht, heutige Erkenntnisse der Wissenschaft und Voraussagen einiger kluger
Menschen einzubinden. Die Gefahr, den Faden hierbei zu verlieren, ist groß. Viele Wochen lang machten wir uns Gedanken, wie man einen solchen
umfangreichen Zeitrahmen auf die Bühne bringen kann. Unsere Überlegungen gingen letztendlich dahin, dass man nur einen kurzen Ausschnitt aus dem
Gesamtwerk umsetzen kann. Ab und an mit dem Blick in die Vergangenheit.
26.-28. November 2004, Braunschweig. Da unser rekrutierter Autor und J.´s Freund Rainer aus NRW anreisen musste, suchten wir nach einem geeigneten Ort in
Mitteldeutschland, um unser Treffen abzuhalten. Es bot sich Braunschweig an. Wir hatten uns vorgenommen, ein gesamtes Wochenende einzuplanen.
Rechtzeitig kümmerte ich mich um ein geeignetes Hotel, in dem es Räumlichkeiten für die Arbeit und einen Internetanschluss gab.
Ich fuhr gemeinsam mit unserem Grafiker Andreas. Wir erreichten das gebuchte Hotel erst gegen späten Nachmittag, da wir uns verfuhren. J. und Rainer waren
bereits vor Ort. Am ersten Abend legten wir dann los und entwickelten erste Strategien. J. ließ es sich nicht nehmen, mit Flipchartpapier und entsprechenden
Präsentationen zu arbeiten.
Am zweiten Tag, beim gemeinsamen Frühstück empfangen wir die Hiobsbotschaft: Rainer hat es sich überlegt. Er würde zwar gern an unserem Projekt
mitarbeiten, wird an diesem Tage noch zur Verfügung stehen, steigt aber wegen verschiedener persönlicher Umstände sofort wieder aus. Möglicherweise nicht
ganz, er würde eventuell die Arbeit eines Lektors übernehmen können, wenn genügend Material zur Verfügung stünde. Als Autor hingegen kann er seine
Dienste nicht mehr anbieten. Dafür habe er genug um die Ohren.
Wir nutzten dennoch diesen Tag ergebnisreich. Zum ersten Mal entwickelten wir ein fundamentales Dokument, dass zum einen erste Inhalte lieferte und zum
zweiten Ort und Zeit der Handlung zum Musical festhielt. Die Ideen sprühten Funken. Unsere Köpfe rauchten. Nicht nur von den vielen Zigaretten, die in diesen
Stunden vernichtet wurden. Solch eine produktive Teamarbeit habe ich selten und bis heute nie wieder erlebt. Im Laufe des Nachmittags verabschiedeten wir
Rainer, der wieder Richtung Heimat fuhr. Wir aßen etwas und es ging weiter, bis in die späten Abendstunden. Nach dem Abendessen setzten wir uns zusammen
und jeder nutzte die Gelegenheit, eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und seine Ansichten zum Projekt vor der Videokamera zu
beschreiben. Ich ließ über den Tag verteilt die Kamera einige Male laufen, weil wir eine entsprechende Videodokumentation zusammenstellen wollen.
Am nächsten Tag wurde der Vormittag genutzt, um weitere Ideen festzuhalten. Die Zimmer waren längst geräumt und wir saßen abseits der Vorhalle. Wir
schrieben, dachten und dokumentierten. Aber was nun? Das Geschehene machte uns einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Ohne Autor.
Die Tage und Wochen nach unserem, laut J.: „Creative Meeting“ nutzten wir, um sämtliche Entwürfe und Aufzeichnungen in die entsprechende Form zu bringen
und zu verteilen. Das erste Schriftstück unserer Musicalgeschichte war geschrieben.