“Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.(Woody Allen).”
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Kapitel 13 Der Administrator

Obwohl ich der Meinung war, dass unser Team hervorragend besetzt wäre, ging J. erneut auf die Suche nach neuen Mitstreitern für das Projekt. Andreas, unser Grafiker, machte uns in einem Gespräch darauf aufmerksam, dass er die Aufgabe des Administratoren für unser Arbeitsportal nicht übernehmen möchte. Ein Grund mehr für unseren Initiator, in den Weiten des World Wide Web nach einem geeigneten Ersatz zu suchen. Kurz vor unserem Braunschweigtreffen überraschte mich eine Mail: „Guten Tag Frank, ein paar Tage ist es inzwischen her, dass die Kontakte mit J. (…) dazu führten, dass ich jetzt mit dabei bin bei TC (Anm. ein Kürzel für J.´s „Firmenbezeichnung“ unter der unser Projekte laufen soll). Als CoreMember No. 5 wurde ich inzwischen von ihm begrüßt - und ich freue mich, an einer Stelle etwas mit zum Erfolg des Projektes beitragen zu können, wovon ich ein wenig Ahnung habe, der Webadministration. Ich gehe einfach mal davon aus, dass J. im Vorfeld auch mit Dir über die Thematik "Technical Director" gesprochen hat und bedanke mich deshalb auch bei Dir für das entgegengebrachte Vertrauen.“ Und damit war es beschlossene Sache J.`s, ein weiteres Mitglied aufzunehmen. Ich war erstaunt und irritiert zugleich. Denn dies erfolgte ohne Absprache mit den anderen. Roland, so hieß unser Neuankömmling, ist ein netter Kerl. Wahnsinnig hilfsbereit in allen Fragen, ausgewogen im Umgang und beruflich mit den genannten Aufgaben vertraut. Er ist und war bisher der ruhigste und zuverlässigste Pol in der ganzen Musical-Gemeinde. Das finde ich erfreulich und hoffe, dass es so bleibt. Im Gegensatz zu mir, mag Roland seine Arbeit. Mit Leidenschaft nimmt er sich den Problemen, die im Laufe der Zeit entstanden sind an und fand schnell und gewissenhaft Auswege und Lösungen. Vor Jahren erging es mir beruflich ähnlich. Auch, wenn ich meinen Traumberuf nicht ausüben konnte, arrangierte ich mich mit den Gegebenheiten. Ich bin ein Mensch, der gern Hilfe bietet und sich hineinkniet, wenn es nötig ist. Ein Großteil meiner beruflichen Tätigkeiten in der Bank bestand anfangs aus Serviceaufgaben. Zumindest in den 90ern. Ja, liebe Leser, ohne Call-Center in Polen oder teuren Hotlines, es gab wirklich noch einen Service vor Ort! Das kann man sich heute kaum noch ausmalen. Ich arbeitete in einer kleinen Filiale mit netten Kollegen und einem angenehmen Arbeitsklima. Im Team und mit Kunden arbeite ich gern. Deshalb bin ich an der „Front“, in der Filiale geblieben. In den Folgejahren veränderten die Banken dieser Republik ihr Gesicht. Drastisch! Geiz wurde geil und der Service wurde mit Füssen getreten, die Kundschaft sondiert, ganze Abteilungen „outgesourct“, wie es neudeutsch heißt und der Kapitalismus in seiner reinsten Form zog ein. Möglichst viel Geld verdienen mit dem kleinsten Aufwand. Auf die Interessen der Kunden durfte kaum noch Rücksicht genommen werden, da man ja vor allem an seine Aktionäre denken muss. Man wurde von den Chefs in regelmäßigen Zeitabschnitten darauf hingewiesen, dass man kein Berater mehr sei, sondern ein Verkäufer. Demzufolge sollte man sich so verhalten. Nur das, ist mir nie beigebracht worden und hatte mit meiner ursprünglichen Aus- und Weiterbildung nicht viel gemein, da es in dieser vorrangig um Produkt- und Hintergrundwissen und nicht um Überzeugungsarbeit ging. Oder hatte ich vor knapp 19 Jahren eine Amnesie und kann mich heute nicht mehr erinnern eine Versicherungskaufmanns- oder Einzelhandelkaufmannslehre gemacht zu haben, in denen Klinkenputzen gelehrt wurde?! Ich tue mich schwer damit, das zu akzeptieren. Dieser Beruf ist verkommen zu einer gewöhnlichen Aufgabe, die dazu noch zum Teil ausgeübt werden soll, ohne eigene Gehirnzellen einzuschalten. Man klickt sich mit vorgefertigten Programmen durch die Angaben des Kunden und bekommt am Ende einen Vorschlag, der sich in vielen Fällen ähnelt, beziehungsweise die größte Provision abwirft. Die Arbeit wird nunmehr ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der erzielten Verkäufe bewertet und anerkannt, nicht nach der Qualität und der optimalen Beratungskompetenz. Das ist sehr traurig und ein Armutszeugnis, dass man solchen Arbeitgebern ausstellen muss. Oft genug wird man gerügt, wenn man sich um Arbeiten kümmert, die der Bank kein Geld einbringen. Seit wenigen Jahren gibt es in unserer Bank, wie in vielen anderen Banken bereits vorher, Zielvorgaben, die im Endeffekt nur die Interessen der Arbeitgeber und der Aktionäre berücksichtigen, nicht die der Kunden. Es wird verkauft, was verkauft werden muss. Manche Ziele erinnerten mich an die Planwirtschaft im Sozialismus. Und wenn irgendetwas nicht so lief, wie geplant, wurden die Zahlen geschönt. Egal wie. Ebenso wird heute alles in Schemen gepresst und nach einem bestimmten und vorgegebenen Muster in möglichst kürzester Zeit abgewickelt. Damit der „Verkäufer“ gar nicht erst daran denkt, individuell zu sein. Nach dem Motto: „Alles muss raus...Schnell und günstig“. Die Identifikation mit „seinem“ Unternehmen fällt einem unter diesen Umständen mit der Zeit immer schwerer. Und bedauerlicherweise geht es mir nicht allein so. Zu oft sehe ich Kollegen, zugleich Topverkäufer, die mit dem Gedanken spielen, sich nach einem anderen Arbeitsumfeld umzuschauen. Das Bitterste daran ist, den Kunden regelmäßig telefonisch anzubetteln, wieder bei seinem „Berater“ vorbeizuschauen. Ich weiß, wie ich reagiere, wenn solche Anrufe bei mir auflaufen. Ich unterbreche diese Gespräche, zeige mein Desinteresse und bitte ihn, sich bei mir nie wieder zu melden. Oder ich lege sofort auf. Ich weiß nicht, wie Sie in solchen Situationen reagieren, wenn wieder ein Schleimer von der Versicherung, der Bank, dem Weingut oder einer Staubsaugerfirma ganz unverbindlich bei Ihnen hereinschneien möchte. Am Besten hat vor Jahren ein Bekannter von mir reagiert, als zu dem eigentlichen Verkaufsprodukt noch ein „Geschenk“, in diesem Fall ein Messerset, feilgeboten wurde. Er ließ den Vertreter kommen, fragte nach seinem Geschenk, ließ es sich überreichen und knallte diesem armen Mensch die Tür vor der Nase zu, mit der Bemerkung, dass er jetzt und später keine Zeit und kein Interesse an irgendwelchen Produkten hat. Recht hat er...!