LARIFARI
Kapitel 16 The Making of…
Nun bin ich nicht umhin gekommen, einen englischen Begriff zu verwenden. Selbst wenn es nur eine Überschrift ist. Ich hatte mir lange überlegt, welchen
alternativen Titel dieses Kapitel bekommen könnte. Ich muss gestehen, dass mir nichts eingefallen ist, was den Inhalt besser beschreiben kann.
Private Urlaubs- und Familienfilme hat wohl fast jeder in seinem Videoregal. Ostern, Einschulung, Weihnachten, Spanien, Italien, alles fein überspielt, sortiert
und beschriftet. Mein Vater filmte als junger Mann gern mit einer 8mm-Schmalfilm-Kamera unser Familienleben in den 70ern. Ende der 80er Jahre legten sich
meine Eltern einen Videorekorder zu. Die logische Konsequenz daraus war, Anfang der 90er, der Kauf einer Super-VHS-Kamera. Da mich dieses Medium
begeisterte, experimentierte ich in diesen Jahren ebenso mit dieser Technik. Eigene Konzertmitschnitte, Proben aus den ersten Anfängen meiner Musik, unsere
ersten Studioaufnahmen und kleine sinnlose Filmchen mit Freunden waren das Ergebnis. Natürlich durften die obligatorischen Urlaubs- und Familienfilme
ebenfalls nicht fehlen!
Wir spielten in unseren Überlegungen zum Projekt mit dem Gedanken, eine Videodokumentation anzufertigen. Den ganzen Prozess vom Anfang bis zum
bitteren Ende (sprich der geplanten Aufführung) zu begleiten, halte ich heute noch für eine gute Idee. Was wäre, das Musical fände nicht statt? Dann gäbe es
zumindest einen Dokumentarfilm über das Scheitern dieses Projektes. Ich legte mir 2004 demzufolge einen digitalen Camcorder zu. Ohne Konzept und ohne
Überlegungen begannen wir zu filmen. Zunächst unser „Braunschweig-Treffen“. Ein paar kurze „Interviews, etwas von der Umgebung und einige Minuten der
kreativen Gespräche und Diskussionen. Erst im Nachhinein fiel mir auf, dass unser Material nicht dem entsprach, was ich mir vorstellte. Zugegeben, ohne Plan
und Strategie an eine solche Aufgabe heranzutreten ist naiv und unüberlegt. Aber ich finde, dass der Gedanke und der Entschluss dazu vorrangig zählt. Ich
beließ es vorerst dabei.
Im Frühjahr 2006 lernte ich durch meine Arbeit als Banker wieder interessante Leute kennen. Wenn ich Künstler, egal welcher Richtung berate, vertieften sich
ungewollt Gespräche, weit über das Banker-Kunde-Verhältnis hinaus. Manches Mal zum Ärgernis meiner Chefs. Privater „Kram“ hätte in dieser
Arbeitsumgebung nichts zu suchen. Vor allen Dingen kann man in dieser Zeit kein Geld verdienen. Ich hatte mehr als ein Jahr verstreichen lassen, um zu
verstehen, dass eine Videodokumentation weit über meiner Kenntnis und dem Verständnis für die Filmerei lag. Ich benötigte Hilfe. Das ist mir dabei klar
geworden.
Wie der Zufall es wollte, lernte ich einen jungen Dokumentarfilmer aus Essen in meiner Bank kennen. Bei seinem eigentlichen Anliegen konnte ich ihm nicht
helfen. Wir kamen mit der Zeit auf Privates zu sprechen. Ich erzählte ihm von meinen Ambitionen, einen Dokumentarfilm zu erstellen. Er war recht
aufgeschlossen und erklärte mir, welche Art von Filmen er produziere. Dabei stellten wir fest, dass unsere Vorstellungen für Projekte im Allgemeinen
übereinstimmten. Ich fragte ihn, ob er nicht Lust hätte, unsere bunte Truppe in den Jahren filmisch zu begleiten. Er sagte zu. Das einzige Problem einer
Zusammenarbeit, bestand jedoch darin, dass er zur Zeit intensiv in ein Projekt involviert war. Wir tauschten Telefonnummern und E-Mail Adressen aus und er
versprach mir, wenn die Zeit gekommen ist, dass er sich melden würde. Sein Interesse für unser Problem war geweckt. Jetzt, da ich diese Zeilen schreibe
(Oktober 2006), sind bedauerlicherweise nicht mehr, als ein paar E-Mails ausgetauscht worden. Ich hoffe für die Zukunft, dass diese geplante Zusammenarbeit
dennoch stattfinden wird.
Einige Wochen später, lernte ich einen weiteren Filmemacher kennen. Dieser Mann, mittleren Alters, fragte mich völlig überraschend neben seinen
Bankgeschäften, ob ich mir vorstellen könne eine Sprecher-Rolle in einem Film, einem Dokudrama, zu übernehmen, da ihm meine Stimme gefiel. Ohne
Nachzudenken sagte ich zu. Wir tauschten unsere Telefonnummern aus und einige Tage später verabredeten wir uns zu einem Gespräch. Im tiefsten Kreuzberg
erfuhr ich von diesem Mann, einem Regisseur aus dem Iran, was er ungefähr vorhatte. Zumindest technisch gesehen. Er war mitten in den Dreharbeiten für
einen Dokumentarfilm mit zusätzlichen Spielfilmszenen. Ich erzählte von mir, von meinen Erfahrungen im Theater und von meiner Musik. Er hörte mir zu und
entschloss sich, mir eine kleine Rolle in seinem Independant-Film zu geben. Ebenfalls solle ich Musik beisteuern.
Die Dreharbeiten zu diesem Film waren langwierig und zogen sich weit über den angedachten Termin hinaus. Der Regisseur hielt sich häufig in seinen
Ausführungen zurück, was das eigentliche Ziel seiner Aufnahmen sein wird. Bei Nachfragen bekam ich dürftige Aussagen, mit denen ich wenig anfangen konnte.
Es muss wohl eine Art von rotem Faden gegeben haben. Den hatte ich aber nie zu Gesicht bekommen, obwohl wir, sowie einige andere Mitwirkende einige Zeit
miteinander verbrachten. Um Geld zu sparen, arbeitete er mit Anfängern, Studenten und völlig Ahnungslosen. Das ging mir mit der Zeit ganz schön auf die
Nerven, da es genau genommen keinen Zeitplan gab. Immer wieder ließ ich mir Termine abschwatzen und vertat meine Zeit. Mehrmals gerieten wir
aneinander, da seine erste Priorität in der Filmerei lagen. Meine aber nicht. Er nannte seine Arbeitsweise „work in progress“, mal sehen, was so passiert.
Die Arbeit vor der Kamera war für mich relativ leicht und später nur noch von zweitrangigem Interesse. Ich beobachtete vorrangig, was sich dahinter ereignete,
um zu lernen. Meine Sichtweise auf das Filmen hatte sich bis dato stark verändert. Ich war live dabei. Ich sah, mit welchen Mitteln gearbeitet werden konnte, wie
eine filmische Arbeitsweise aussah und vor allen Dingen, dass es eine große Menge an Material geben musste, um Resultate zu erzielen. Ähnlich wie in der
Musik. Es wurde hauptsächlich auf digitaler Ebene, mit unterschiedlichsten Kameras gedreht und die Drehorte waren alle in Berlin.Mein Fazit dieser
Zusammenarbeit lief auf einen Punkt hinaus: Es war mir egal, was aus diesem Projekt wird, ob ich präsent sein würde oder nicht, ob meine Musik integriert wird
oder nicht – jedoch ich hatte endlich einen Ansatz für unsere eigene Dokumentation! Verständlicherweise wurde ich dadurch kein Filmemacher, Dramaturg oder
Regisseur. Am Ende werde ich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um einen gesamten Film produzieren zu können. Hingegen meine Erfahrungen, die ich
sammeln durfte, machten mich in diesen Bemühungen wieder ein kleines Stückchen unabhängiger.