“Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.(Woody Allen).”
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Kapitel 31 Frust

Eine unheimliche Spannung machte sich in mir breit. Der letzte Arbeitstermin war alles andere als erfreulich. Um meinen Unmut zu äußern, schrieb ich J. eine umfangreiche Mail: Hallo J., wie ich bereits bemerkte, habe ich ich über die bestehende Situation nachgedacht. Dabei ist mir aufgefallen, dass wir ein Paradoxon erzeugen würden, wenn wir an beiden Fakten, also: Zeit, und Kind muss von unseren Darstellern sein, festhalten würden. Wie ich ja bereits in dem Zusatzschreiben Ende März festhielt, sollten wir uns genau überlegen, was auf der Bühne relevant sein kann und was nicht. Wenn ich weiterhin an die E-Mail aus dem vergangenen Jahr von Stefan, dem Regisseur zurückdenke, dann ist genau die Situation eingetreten, die er beschrieb: Wir können nicht auf alle Ideen zurückgreifen, die jemals erdacht worden sind. Und ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust, ewig über Dinge zu diskutieren, nur weil Du Dich strikt daran klammerst. Das ist nicht böse gemeint und nicht gegen Dich gerichtet. Aber bitte sieh es auch mal so, die Geschichte und das Musical sind mittlerweile nicht mehr nur allein Dein Thema. Es ist ebenso auch zu meinem geworden. Ich stelle immer wieder in diesem Zusammenhang fest, dass Du Dich viel zu sehr an Deinen Pop-Stückchen orientierst und kaum davon abweichen möchtest. Auf der einen Seite habe ich ein gewisses Verständnis dafür, für manche Szenen hingegen ist dies jedoch recht kontraproduktiv. Die Geschichte, die wir schreiben, muss sich entwickeln. Durchaus muss sie aber auch andere Wege gehen, als geplant. Du weißt selbst sehr genau, wie oft ich Ideen eingebracht habe, die dann meist nur als Kompromiss endeten oder völlig verworfen wurden. Das ist in Ordnung. Aber auch Du musst verstehen, dass ich so etwas von Dir ebenfalls erwarte. Nun zu den beiden Punkten. Wenn Du diese Fakten einmal auf das Wesentliche herunterreduzierst, was bleibt übrig? Zum einen die Zeit, die langsamer vergeht und zum zweiten ein Kind, dass besondere Fähigkeiten hat, die erst später eine Rolle spielen werden. Wenn ich dieses Fragespielchen weiter betreibe, dann würde ich die Relevanz hinterfragen. Welchen Stellenwert haben beide Fakten? Ich könnte jetzt ignorant sein und sagen, dass zum einen die Zeit für die reine Geschichte, also für den Inhalt gar keine Rolle spielt. Mit diesem Punkt triffst Du keine Aussage, die für den Zuschauer interessant sein kann. Zum zweiten muss das Kind nicht von unseren beiden Figuren stammen. Es muss einfach nur ein Kind sein. Ich weiß und höre Deinen Protest von den besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten..., aber auch hier schaue ich aus der Zuschauersicht. Er sieht ein Kind, dass auf besondere Art und Weise kommuniziert. Mehr nicht. Ich beschrieb Dir ja in meinem Telefonat mein Problem damit. Wenn wir beide Fakten beibehalten, müssten wir zu viele Dinge erklären. Das will ich nicht. Nach Deinen Aussagen vergehen zwar nach „Erdenzeit“ 5 Jahre, auf dem Mond aber nur drei Monate. Eine weitere Festlegung lautet, dass keiner der Anwesenden gealtert ist. Also vergehen für sie definitiv zeitlich und biologisch wirklich nur drei Monate. ( ich will mich nicht an den drei Monaten festhalten, ebenso könnten es 5 oder 8 sein) Auch wenn sie genmanipuliert sind, kannst Du gewisse Naturwissenschaften nicht außer Acht lassen. Deshalb finde ich es schon sehr hochgegriffen, dass nicht nur eine Schwangerschaft in diesem Zeitrahmen stattfinden soll, sondern dass das Kind bereits 5 Jahre alt sein soll. Nun ein weiterer Fakt: Wenn das Kind so unendlich schnell wächst, müsste es in den Folgeszenen immer erwachsener werden...Damit habe ich ein Problem. Abgesehen davon, dass Du auf einer Bühne ein solch kleines Kind gar nicht spielen lassen dürftest! So etwas müssen wir in unseren Überlegungen ebenfalls mit einbinden. Ich bitte Dich darüber ernsthaft nachzudenken, was für das Stück wirklich wichtig ist und was nicht. Entweder lässt Du das Thema „Zeit“ außen vor oder wir suchen eine Alternative zu dem Kind. Meine Idee gefiel Dir ja nicht. Aber erst dann können wir die Geschichte logisch weitererzählen. Und nur um beide Fakten beizubehalten, mache ich den Quark nicht quetscher bis er quietscht. Wir haben keinen großen Zeitrahmen für die Länge des Stückes. Im Buch oder im Hörspiel haben wir andere Möglichkeiten. Dort können wir viel mehr Fakten einbauen. Wenn manche Hintergründe im Musical nicht auftauchen, heißt das doch nicht, dass sie in den anderen geplanten Publikationen ebenfalls untergehen werden. Warum können manche Dinge nachher im Buch nicht ausführlicher, oder leicht abgewandelt sein? Du musst doch, mit der Gesamtgeschichte im Blick, auf nichts verzichten! Wenn man es genau nimmt, stecken wir mit unserer Schreiberei nicht wirklich fest. Du möchtest nur an zu vielem festhalten. Denke nur einmal an die Diskussion über den Bösen. Von wegen „alle sind gut“. Für die Geschichte war dies ein wunderbarer Einfall. Er wich jedoch von Deinen Vorstellungen ab. Und was hast Du Dich gesträubt...Lass uns nachher nochmal telefonieren und dann sehen wir weiter! Viele Grüße Frank ! Entgegen meiner Erwartung, einen großen Proteststurm zu ernten, nahm Jörg meinen Frust gelassen hin. Er zeigte Verständnis. In dem angekündigten Telefonat versprach er mir, darüber nachzudenken, welche Alternative für den Fortlauf der Geschichte sinnvoll sei. Sagen wir, ich ließ ihm keine andere Wahl. Weil ich so „gutgelaunt“ und mit meiner Unzufriedenheit auf einem Höhepunkt landete, der Blutdruck sich über dem Normalzustand bewegte, schrieb ich sogleich eine weitere Nachricht an die schreibende Gemeinschaft: Hallo Manfred, Rainer und Torsten! Vor ca. zwei Monaten ließen wir Euch das erste Manuskript (in Rohform) für das Musical zukommen. Nachdem wir vorerst gar keine Rückmeldungen bekamen, versuchten wir Euch telefonisch zu kontaktieren, warum wir nichts von Euch hörten. Ein einfaches "habe Mail bekommen, lese es mir später durch" hätte an dieser Stelle sicher gereicht. Aber nun, nach diesen zwei Monaten, hören wir noch immer nichts. Ein kleines Feedback, ein kleiner aufgegriffener Fehler, den man entdeckte oder nur ein persönliches "hat mir gefallen" oder ähnliches wäre für uns hilfreich gewesen. Und diese Mail hätte in 5-10 Minuten geschrieben sein können. Ich bin bestimmt kein extrem ungeduldiger Mensch, aber ich frage mich mittlerweile, was ich hier mache. Wie Ihr alle wisst, hatte ich mich bereit erklärt, die Musik für unser Stück zu schreiben. Nun sehe ich mich in der Position, auch das Manuskript mitzuschreiben. Damit habe ich kein Problem, da ich ja selbst diesen Vorschlag gemacht hatte, um vorwärts zu kommen. Aber da Jörg und ich im Grunde kaum Erfahrungen mit dem Schreiben haben, brauchen wir wenigstens Rückmeldungen, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden!!! Ihr drei habt ganz andere Vorkenntnisse in diesem Genre. Ich möchte gar keine seitenlangen Abhandlungen, da ich ja weiß, dass Eure Zeit recht begrenzt ist. Ich möchte einfach nur mal einen Anfang sehen, ob Euch unser Projekt überhaupt noch interessiert! Das ist die einfachste Frage, die ich hier stellen kann! Wir können doch genau genommen sowieso nur Stück für Stück vorankommen! Das reicht für´s Erste. Und mit der Zeit wird das entstehen, was wir uns wünschen. Ein Ganzes! Ein Musical! Egal mit welchen Chancen, um auf einer Bühne zu landen. Dieser Punkt ist zur Zeit nicht relevant! Hauptsache wir haben eine durchdachte, logische und unterhaltsame Geschichte, auf der wir aufbauen können! Jörg und ich kommen uns in letzter Zeit immer wieder ins Gehege, bis hin zum Abbruch unserer Schreiberei , da wir im Grunde immer weiter voranschreiten, ohne zu wissen, auf welche Änderungen wir uns vielleicht noch einstellen können. Dabei meine ich noch nicht einmal die Feinarbeit, sondern das Grundsätzliche. Ist unsere Geschichte interessant genug? Welche Faktoren fehlen Euch? Müssen wir nochmal alles von vorn schreiben, wenn das Bisherige nicht funktioniert? Alles Fragen, die ich mir selbst nicht beantworten kann! Das könnt nur Ihr, da Ihr einen anderen Blick auf das Geschriebene habt! Ich würde gern bis zum Ende des Jahres ein gültiges Dokument in den Fingern halten und definitiv kein weiteres Jahr mehr warten wollen. Wenn es sein muss, können wir auch ein Treffen planen. Vielleicht kommen wir so weiter? Wenn jedoch die allgemeine Kommunikation und die gegenseitige Inspiration auf diesem Null-Level bleibt, sehe ich für mich keinen weiteren Sinn, dieses Projekt fortzuführen. Viele Grüße Frank Ich wußte, dass Jörg mit Rainer und Manfred in Kontakt steht. Ebenso wie ich mit Torsten. Aber dies sollte vorrangig ein Test sein, welche Prioritäten und welches Interesse bei unseren Mitstreitern noch vorhanden war. Noch am selbem Abend bekam ich Post von Torsten, vier Tage später von Rainer. Beide versicherten mir, dass sie sich mit Nachdruck unserem Manuskript angenommen hätten und daran arbeiteten. Zu den bisher geschriebenen Inhalten äußerten sie sich ebenfalls, mit dem Ergebnis, dass wir auf dem richtigen Weg wären. Na also, es geht doch! Nun müssen Jörg und ich nur noch abwarten, bis uns der ersehnte Posteingang überrascht. Innerhalb von Tagen beruhigte sich die Lage. Jörg ließ es sich zwar nicht nehmen, auf die Herkunft des Kindes zu verzichten, lenkte aber ein, einen nachvollziehbaren Handlungsablauf zu gestalten. Somit konnten wir eine Menge Unsinnigkeiten streichen, die jeden anderen Verlauf verkompliziert hätten. Wir waren erneut im Fluß und um das ins Stocken geratene Schreiben aufzuholen, setzten wir zwei zusätzliche Schreibtermine an, die das Versäumte nachholen.