“Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.(Woody Allen).”
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Kapitel 34 Meldungen

30.07.2007 – Da wir uns seit Anfang des Jahres ausschließlich mit unserem Libretto beschäftigten, hatten nur wenige Mitstreiter den Zugriff auf unsere schriftlichen Dokumente. Jörg und ich, später dann auch Torsten und Rainer. Torsten nutzte die Gelegenheit und stellte, wie bereits angemerkt, seine Texte in unserer Theater-Vorlage ein. Allein aus diesem Grunde schaute ich interessehalber regelmäßig auf unser Manuskript, um zu erfahren, ob es Neues gibt. In der letzten Woche beriet ich mich mit Jörg, über das weitere Vorgehen mit unseren „verschollenen“ Autoren. Wenn wir von ihnen nichts hörten, meinte Jörg, unternähme er gern einen letzten Versuch, eine klare Zu- oder Absage zu erhalten. Er startete einige Telefonate. Manfred war nicht zu erreichen. Hier musste endgültig eine Entscheidung getroffen werden, so dass Jörg beschloss, ihm, sofern er ihn das nächste Mal an den Hörer bekommt, die „Gretchenfrage“ zu stellen. Das Telefonat, dass Jörg mit Rainer führte, hatte andere Auswirkungen. Mitte der vergangenen Woche schaute ich, wie üblich, auf unser Libretto und sah, dass es Änderungen von Rainer gab. Ich begann zu lesen und bemerkte im ersten Moment gar nicht, dass er in dieser Sekunde das Manuskript noch bearbeitete. Auf einmal las ich den Satz: „Bitte ruf mich an!“ Ich stutzte, da ich diese Worte nicht dem entsprechenden Dialog zuordnen konnte, bis ich darauf kam, dass dieser Aufruf an meine Adresse gerichtet war. Rainer sah anhand des Bearbeitungsstatus, dass ich mich eingeloggt hatte. Ich rief zurück. Wir besprachen mehr als eine dreiviertel Stunde unser Dokument und andere Dinge, die unser Musical betrafen. Nach diesem Telefonat war ich mir sicher, dass seine Ambitionen, unser Stück auf den Weg zu bringen, noch vorhanden und von entsprechend großem Interesse war. In einem späteren Telefonat mit Jörg, versicherte er ihm, sich wöchentlich die Zeit zu nehmen und mitzuarbeiten. Für uns war dies eine Baustelle weniger, um die wir uns kümmern mussten. In unserem Gespräch ging es unter anderem um den Auftakt unseres Stückes. Er meinte, dass sich dem Zuschauer zu viele Fragen stellten und die Eröffnung deshalb anders gestaltet werden sollte. Die Diskussionen mit Jörg und seiner Idee dieser furchtbar langen Anfangsszene des Theaterstückes hatte ich noch lebhaft im Gedächtnis. Ich berichtete Rainer von diesen Auseinandersetzungen und unseren Kompromissen, mit denen ich nicht glücklich bin. Er stimmte mir zu und arbeitet seitdem an einem Prolog. Nachdem ich mich nochmals mit Jörg darüber unterhielt, schien das seiner Ansicht nach eine gute Idee zu sein. Ich frage mich heute, was vor acht Monaten an meinem Entwurf, der diesen Prolog bereits beinhaltete, anders war. Ich mache mir in letzter Zeit und je weiter wir mit unserem Manuskript voranschreiten, nunmehr Gedanken, wie meine endgültige musikalische Umsetzung aussehen wird. An der Menge von Ideen mangelt es nicht. Die theoretische Arbeit und die Vorstellung, wie sich die Stücke anhören müssen, sind in meinen Gedanken. Aber ich werde aller Voraussicht nach relativ allein dastehen. Wie schnell fährt man sich in dieser Situation fest und verliert die Orientierung? Im Moment wäre es mir angenehmer, wenn ich nicht am Libretto mitschreiben müsste. Das würde meinen Kopf befreien. Dabei drehen sich meine Gedankenspiele nicht so sehr um die Ausarbeitung der Musikstücke, sondern mehr um die Kompositionen. Alles muss im Fluss sein. Alles muss zueinander passen. Wie ein Puzzle oder ein Konzeptalbum. Zueinander abgestimmt. Dass wird seine Zeit brauchen. Die Teamarbeit kann ich schnell vergessen, da ich von meinen Mitstreitern kaum musikalische Unterstützung erwarte. Die Möglichkeit meine Freunde einzubeziehen wird die sein, eine persönliche Meinung zu erhalten. Gefällt es, oder nicht. Werden sie ungeduldig, wenn ich nicht schnell genug hinterher komme? Wie lange werde ich brauchen? Ungewissheit plagt mich. Gestern besuchte ich ein Konzert. Carmina Burana stand auf dem Programm. Vor dem geplanten Höhepunkt der Show wurden klassische Kompositionen interpretiert. Unter anderem Stücke von Verdi. Ein 60-Mann-Orchester, wie in dieser Aufführung, dass sich zudem noch in meiner Reich- und Sehweite befand, beeindruckt mich jedes Mal. Ich kann gar nicht genug davon bekommen. Ich muss, wenn ich so etwas erleben darf, über die gleichen Fragen nachdenken: Kann ich so viele verschiedene Instrumente, wenn bei einem Musical auch nur ein Drittel eines solchen Orchesters spielen kann, unter einen Hut bekommen? Werde ich die Kontrolle darüber verlieren? In der Pop- und Rockmusik ist das etwas anderes. Fünf Hauptinstrumente und ein wenig Geklimper im Hintergrund hat man nicht nur gedanklich unter Kontrolle. Die Abhängigkeit eines Orchesterinstrumentes und seiner Wirkung jedoch nicht ohne weiteres. Ich habe diese Art von Musik, insbesondere das Fach Komposition leider nie studiert. Eventuell sind diese Gedanken und Fragen völlig unnötig und lösen sich bei der Arbeit auf. Ich kann sie vorerst nicht unterdrücken. Das Treffen mit Nina und Jörg am Wochenende war ein Erfolg. Jörg hielt sich mit Überschwänglichkeiten und Übertreibungen zurück und konzentrierte sich auf das Wesentliche. Er gestand bei unserer Zusammenkunft ein, dass er in den letzten Jahren viel dazugelernt hat und einige Arbeitsweisen überdenken musste. Wir alberten viel herum, was Nina nicht störte. Sie hatte uns zuvor einige Seiten ihres Science-Fiction Romans zukommen lassen, um einen Einblick in ihre Schreibweise zu bekommen, mit der Bitte um Resonanz. Jörg und mir gefielen diese Kapitel sehr. Wir wollten mehr. Wir sprachen über das Projekt, über unsere Vorstellungen, über Musik und vieles andere. Ganz kurios und inhaltlich bereits in einem Kapitel angesprochen, war ein Angebot von Jörg, ob ich nicht Interesse an einer Mind-Map-Software habe. So, so, dachte ich. Nach über drei Jahren... Ich lehnte dankend ab, da ich ihm keine Hoffnung mehr geben wollte, damit zu arbeiten. Die Stunden flogen dahin. Kurz nachdem sich Jörg verabschiedete, ich blieb noch einige Minuten, sagte Nina sie müsse gar nicht lange darüber nachdenken, ob eine Mitarbeit in Betracht käme. Ihr Entschluss steht fest, obwohl Jörg ihr eine Woche Bedenkzeit gegeben hatte. Sie macht mit. Sie möchte an der Geschichte und in unserem Team mitarbeiten. Das freute mich sehr. Gerade weil ich im Vorfeld mehr Informationen preisgegeben hatte, als Jörg es für nötig befand. Sie ist sich dessen bewusst, dass ihr jetzt mindestens zwei Jahre bevorstehen, um unsere Geschichte und die groben Ideen in eine gebundene Form zu bringen. Sie freut sich sehr, dass sie mit diesem Vorhaben nicht allein gelassen wird und wir entsprechende Unterstützung versprachen. Zur Zeit befinde ich mich im Zwangsurlaub, was mich dazu bringt, mein Augenmerk verstärkt auf unser Musical zu legen. Mich störte schon lange der übermäßige Druck, der auf die Angestellten in den Filialen unserer Bank, mittlerweile nur noch als „Vertrieb“ benannt, ausgeübt wurde. Zahlen über Zahlen, Morgen für Morgen. Ich ertrug es kaum noch. Um diesem Desaster zu entkommen, blieb einzig und allein die Möglichkeit sich in unserem Unternehmen nach einer Stelle umzusehen, die im zentralen Bereich lag. Ich bewarb mich auf verschiedene Stellen interner Ausschreibungen. Für monotone Arbeiten war ich nicht bereit. Dazu fühlte ich mich zu intelligent und überqualifiziert, um meine Arbeitskraft zu verschleudern und den ganzen Tag Daten in den Computer einzutippen. Ich wartete, bis eine geeignete Stelle frei war. Das Glück war bei mir. Vor einigen Wochen führte ich ein Bewerbungsgespräch, das sehr angenehm war und meinen Vorstellungen am nächsten. Zunächst hörte ich eine Weile nichts von den Kollegen, bis meine Neugier zu groß war und ich mich meldete. Meine Bewerbung wurde positiv aufgenommen und ich könne damit rechnen, in der entsprechenden Abteilung arbeiten zu können. Terminlich könne man mir zwar noch nicht viel sagen, aber ich höre von ihnen. Damit fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich hatte es geschafft. In meiner letzten Arbeitswoche kam der lang ersehnte Anruf. Ich stimmte den genauen Termin für den Arbeitsbeginn ab und stellte noch ein Thema zur Diskussion. Mir stand noch mein gesamter Jahresurlaub zur Verfügung. Das sei schlecht, meinte meine neue Chefin. Ich solle mich darum kümmern. Da mein dortiger Arbeitsbeginn zum Ende des Augustes festlag, blieb mir und meinem Vorgesetzten keine andere Wahl, als mich bis dahin zu beurlauben. Ich hatte einen Tag Zeit, um mich auf die neue Situation einzustellen. Gut für mich und unser Projekt, schlecht für die Filiale, da meine Arbeitskraft vorerst fehlen wird.