LARIFARI
Kapitel 37 Das Leben ist Veränderung
19.09.2007. Meinen Urlaub genoss ich sehr. Nach längerer Zeit konnte ich die Seele baumeln lassen und abschalten. Dass ich entspannte Tage verbringe,
bemerke ich an meiner Lesewut. Vorsorglich nehme ich auf Urlaubsfahrten genügend Literatur mit. Ein gutes Buch in die Hand zu nehmen, kommt selten vor. In
den heimischen vier Wänden hat mich der Alltag im Griff. Es gibt immer etwas zu tun. Im Garten, im Haushalt, an der Musik oder ich beschäftige mich mit
alltäglichen Dingen. Mich hinsetzen und lesen kommt oft nicht in Frage, da ich ein Schnellleser bin. Ich kann nicht wie manch einer meiner lesenden
Mitmenschen abends im Bett ein paar Seiten durchgehen, das Buch dann wegpacken und schlafen. Viel zu sehr hängt mein Interesse am Fortlauf der
Geschichten. Im Urlaub habe ich diese Freiheit, diese Zeit und einen freien Kopf. Wenn dazu noch ein Meer im Hintergrund die Wellen aufschlagen lässt, kann
mich nichts mehr halten.
Ganz nebenbei inspirierte mich meine Umwelt und ich schrieb einige Liedtexte für das Libretto. Jörg und ich hatten im Vorfeld die Inhalte so gut vorbereitet,
dass ich mir, abgesehen von einigen Reimen, nichts Neues ausdenken, sondern nur schreiben musste. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Die Orte, an denen ich
mich niedersetzte, Block und Stift in der Hand, waren traumhaft. Im Strandkorb, an einer Promenade, das Meer im Hintergrund, einige Male in der
Ferienwohnung und mitten im Getümmel der Touristen. Mich konnte nichts abhalten. So sollte es immer sein.
Am Tag unserer Heimkehr meldete ich mich bei Jörg. Er war sehr beschäftigt. Vorbereitungen für potentielle Bewerbungen standen in den letzten Tagen auf
seinem Plan. Das endgültige Trennungsgespräch hatte zwar bis dahin nicht stattgefunden, aber er musste sich rüsten. Das beansprucht Zeit. Viel Zeit.
Demzufolge blieb es nicht bei der geplanten verschobenen Woche. Weitere Schreibtermine fielen aus, bis alle Dokumente und Vorbereitungen für eine
Vorstellung bei potentiellen Arbeitgebern abgeschlossen waren.
Der Urlaub ist vorbei und ich begann meine neue Tätigkeit. Das Arbeitsumfeld gefällt mir sehr gut. Die neuen Kollegen sind sehr viel aufgeschlossener und
entspannter, als die in den Filialen. Seit zweieinhalb Wochen befinde ich mich in der Ausbildung. Es ist schwierig für mich, wieder eine Schulbank zu drücken.
Aber dieser Schritt war unumgänglich. Diese Arbeit ist eine völlig andere, als alles, dass ich bis dahin gewohnt war. Viele neue Informationen, deren
Hintergründe, Abläufe, neue Computerprogramme und mir zum Teil unbekannte Techniken stürzen derzeit auf mich ein. Ich muss viel lernen, Prüfungen
absolvieren und mich auf meine künftige Aufgabe konzentrieren. Meine Freizeit wurde dadurch stark beschnitten. Übergangsweise arbeite ich bis zum
November Vollzeit, statt meiner geliebten Teilzeit, um das gesamte Pensum aufnehmen zu können. Nach diesen 2 Monaten werde ich hoffentlich ein
Grundwissen erlangen, dass es mir erlaubt, eigenständig zu arbeiten. Nach einem Jahr, so sagt man, wird Routine daraus.
Seit Mitte August arbeiteten wir nicht mehr an unserem Projekt. Dass wir diese Wochen aufholen können, bezweifle ich. Druck sollten wir in dieser Situation
nicht auf uns ausüben, da solche Maßnahmen kontraproduktiv sind. Aber ich denke, dass uns diese Gelassenheit gut tut. Abstand gewinnen und zu einem
späteren Zeitpunkt das Geschriebene betrachten, wird für uns hilfreich sein. Vorausgesetzt, es geht demnächst weiter. Nebenbei setzte ich mich in den freien
Stunden der letzten Wochen mit der Theorie des Schreibens auseinander. Ich hatte mir Bücher über das Verfassen von Manuskripten für Film und Theater
zugelegt. Im Nachhinein gesehen, hätte ich mir solche Fachbücher früher besorgen sollen. Dann hätten wir vermutlich einige Fehler unterbunden. Ich möchte
gern, dass auch Jörg sie liest, denn darin sind Themen angesprochen worden, über die wir einige unnötige Diskussionen führten. Fachliteratur kann ich gut
nebenbei lesen. Ein paar Absätze oder Seiten durcharbeiten ist einfacher, als einen Roman aufzunehmen. Das so erlangte Wissen kann man, sofern es hilfreich
ist, sehr leicht Stück für Stück auf seine eigene Arbeitsweise übertragen.
Es ist sehr schade, dass man in einem solch großen Projekt nicht viel Freiraum für großartige Improvisationen hat, damit es weitergeht. Man ist zu sehr auf die
Hilfe Anderer angewiesen. Wenn ich mir heute im Nachhinein überlege, was ich vor über 20 Jahren alles auf die Beine stellte, damit ich öffentlich Musik machen
kann... Angefangen von den Situationen, als die Technik streikte, bis hin zur Organisation einer Fahrgelegenheit, um an einen Auftrittsort zu gelangen. Ich
erinnere mich an einige kuriose Methoden, unsere Instrumente zu befördern. Unter anderem waren wir mit einer Art Bollerwagen, zu Fuß oder dem Fahrrad
unterwegs, wenn keiner unserer Verwandten oder Bekannten zur Verfügung stand. Wir waren viel zu jung, um allein ein Fahrzeug bewegen zu dürfen. Die Sache
mit dem Fahrrad hatte einmal polizeiliche Konsequenzen. Wir wurden von einer Polizei-Streife angehalten und zur Rede gestellt, warum wir vollgepackt und
übermäßig beladen die Straße benutzten. Da wir außerdem keinerlei Papiere bei uns trugen, wurde schließlich noch eine Überprüfung unserer Personalien
durchgeführt, was uns Zeit kostete. Erst danach erlaubte man uns, beziehungsweise nach unseren Erklärungen, Fahrrad schiebend, auf dem Bürgersteig weiter
zu ziehen, um unsere kleine Unterhaltungsshow starten zu können. Ich weiß bis heute nicht, wie ich Keyboard, Verstärker, Mikrophon und die entsprechenden
Halterungen und Auflagemöglichkeiten auf einen Schlag untergebracht hatte.