LARIFARI
Kapitel 38 Geld
08.11.2007. War es die Motivation, die uns in den letzten Monaten abhanden gekommen ist, oder sind wir zu beschäftigt gewesen, um an unser Musical zu
denken? Immer wieder verschoben J. und ich unsere angedachten Schreibtermine. In unseren Telefonaten beteuerten wir uns gegenseitig, dass wir diesen
Zustand sehr bedauerten. Aber was hilft es? Das bringt uns nicht weiter. Alles ist ins Stocken geraten. Weder Torsten, noch Rainer, wie auch J. und ich
kümmerten sich um das Theaterstück. Obwohl sich die berufliche Situation J.s beruhigte, passierte nichts. Berufliche oder private Termine verhinderten unseren
Arbeitsdrang.
Da ich mittlerweile andere Arbeitszeiten habe, findet es Jörg an manchen Tagen zu spät, um zu arbeiten. Was soll ich tun? Ist der Zeitpunkt gekommen, das
Projekt aufzugeben? Sind wir zu zweit in der Lage, unser Projekt weiterzuführen? Darauf scheint es hinauszulaufen. Besitzen wir die Kraft uns gegenseitig aus
diesem, ich nenne es mal „Tief“ herauszuziehen? Ich wollte kein Ansporner sein, kein Antreiber. Aber ich fürchte, wenn ich mich jetzt zurückhalte, wäre dieses
Projekt für ewig begraben. Will ich das? Es gab kleine Erfolgserlebnisse. Gelegentlich kamen wir mit unserer Arbeit voran und oft gab es nichts zu berichten, was
ein Voranschreiten erahnen ließ. Meine persönlichen Emotionen pendelten immer zwischen einem Glücksgefühl und einer Leere. Das Dumme daran ist, dass es
hier nie um Geld ging, an dem es scheiterte oder einem „Buhmann“, dem man die Schuld in die Schuhe schieben konnte. Es lag von Anfang an in unserer Hand,
aus dem Projekt etwas zu machen, auch wenn unsere Vorstellungen gegensätzlicher Natur waren. Wir lernten in den letzten Jahren viel dazu. Das muss ich
zugeben. Vorrangig, welche Prioritäten Menschen setzen, wenn es um eine Aufgabe geht, die kein Budget hat und in der Freizeit entsteht. Ich denke, wenn ich
eine dicke Brieftasche geöffnet hätte, liefe das Stück bereits auf einer Bühne. Was ist falsch daran, etwas aus Freude und Spaß zu schaffen? Selbst wenn es
Dimensionen erreicht, die man in wenigen Tagen zusammenbastelt?
Es ist schade, dass in unserer recht materialistisch eingestellten Gesellschaft die Gier nach Geld, beziehungsweise diese „ich tue nur etwas, wofür ich einen
Gegenwert erhalte“ - Moral einen sehr hohen Stellenwert besitzt. Sicherlich hat dies mit einem Aufwachsen in solch einer Sozialstruktur zu tun, wie wir sie nicht
nur in unserem Staate vorfinden. Liegt es in der Natur des Menschen? Ich weiß es nicht. Ich dächte eventuell ähnlich, wenn nicht einige einschneidende
Erlebnisse und Erfahrungen in meinem Leben dafür sorgten, eine andere Denkweise zu entwickeln.
In meiner Jugend, sprich zu DDR-Zeiten, war klar, dass ich mit meiner Musik Geld verdienen kann. Das war, wenn man ein derartiges Hobby ausüben wollte
auch nötig, denn gute Instrumente kosteten Geld. Viel Geld. Für einen durchschnittlichen Synthesizer „aus dem Westen“ konnte man leicht mehr als fünfzehn-
bis zwanzigtausend DDR-Mark hinlegen. Also stand das Thema Geld zunächst im Vordergrund. Später, als dann die D-Mark eingeführt wurde, war es ein
leichtes, an Equipment, für einen annehmbaren Preis heran zu kommen. Demnach baute ich mir mein kleines Studio auf, weil ich in meiner Bank gut verdiente.
Nebenher wollte ich leben und tat dies auch. Egal, wieviel Geld ich verdiente, ich schaffte es immer, dieses auszugeben. Für die Familie, für Urlaub, für
Anschaffungen und für die Musik. Je mehr ich arbeitete, desto weniger Zeit blieb mir für andere Dinge. An diesem Punkt fragte ich mich das erste Mal, was
wichtiger ist. Ist es für mich erstrebenswert, viel zu besitzen, jedes Jahr für wenige Wochen entfernte Länder zu bereisen und technisch auf dem neuesten Stand
zu bleiben, wenn ich auf der anderen Seite aber kaum Zeit für die Familie und für meine Hobbys hatte? Meine Antwort lautete „NEIN“! Ich entschied mich 1996
für eine Teilzeit-Tätigkeit. Begünstigt wurde dieser Entschluss durch eine familiäre Situation. In der Anfangszeit war es schwierig für meine kleine Familie und
mich mit weniger auszukommen. Aber wir gewöhnten uns daran.
Ferner gab es in den Folgejahren Umstände, noch genügsamer zu leben. Aber die Zeit, die ich gewann wurde mir lieb und teurer als alles Geld der Welt. Wir
sparten an allen Ecken und Kanten. Keine teuren Anschaffungen mehr, keine großen Urlaube und keinen unnötigen Schnick-Schnack. Jede Ausgabe musste
genauestens geplant und kalkuliert werden. An diesem Punkt beginnt man, Prioritäten zu setzen und die kleinen Dinge des Lebens zu schätzen. Was ist wirklich
wichtig? Vor 2 Jahren wurde ich zudem krank. Die Ärzte rätselten lange, warum es mir immer schlechter ging. Ich lag im Krankenhaus, vollgepumpt mit schweren
Schmerzmitteln bis hin zum Morphium und fragte mich, ob ich diese Welt verlassen muss. Fragen schossen mir durch den Kopf, unter anderem, was all die
Anschaffungen meiner Familie überhaupt nützten, wenn ich eines Tages nicht mehr da bin. Was gäbe ich nicht alles, um gesund zu sein! Meine Krankheit zog
sich Monate hin, bis der wahre Grund entdeckt wurde. Monate des Bangens und der Hoffnung. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass meine Krankheit
harmloser war, als angenommen. Ich konnte durch Eigeninitiative und einigen Umstellungen mein Leben relativ normal weiterführen. Durch diese Erfahrungen
und den damit ausgelösten Lernprozessen rückte das Thema der Finanzen mehr in den Hintergrund. Wir lernten dabei, dass sie zum Leben bedingt notwendig
sind, aber auch, dass es genügend Dinge auf dieser Welt gibt, die Freude machen können und trotzdem nichts kosten. Ich denke mittlerweile dass ich glücklicher
mit einem bescheidenen Leben bin, als manch einer, der seinen Lebensinhalt in der Arbeit und dem Verdienen des Geldes sucht.
In den Überlegungen für unser Musical spielte das Thema Geld eine untergeordnete Rolle. Das war Jörg an dieser Stelle wichtig. Das gefiel mir. Wenn es in der
Zukunft etwas zu verdienen gibt, geht das in Ordnung. Wer würde an dieser Stelle verzichten? Wenn nichts verdient wird, dann nehme ich das hin. Ich hatte in
Bezug des Musicals von Anfang an keine großen finanziellen Erwartungen. Damit nehme ich mir den Druck, erfolgreich sein zu müssen. Unter den gegebenen
Umständen war dieses Herangehen im Nachhinein gesehen, das Beste. Jede Erfahrung in diesem Projekt war bis jetzt wertvoller, als ein dickes Bankkonto.