LARIFARI
Kapitel 41 Abrechnung
11.12.2007 Es wird Zeit, dass ich in meinen normalen Arbeitsrhythmus wechsel. In den letzten dreieinhalb Monaten sind mir viele wertvolle Stunden entgangen,
die ich gern anders genutzt hätte. Dass ich meine Vollzeittätigkeit bis zum Ende des Jahres verlängerte, verdankt mein Arbeitgeber ausschließlich einem
Umstand: Er bezahlt mir Überstunden. Ich stelle aber zu meinem Leidwesen fest, dass ich viele unerledigte Dinge immer öfter in die Abend- und Nachtstunden
schiebe, was mir dann im Endeffekt einen nicht unerheblichen Schlafmangel einbringt.
Im letzten Sommer beschlossen Jörg und ich einen ganz besonderen Termin. Wir nahmen uns vor, ein Treffen durchzuführen, um Referenzen zu analysieren.
Am letzten Wochenende schafften wir es mit reichlicher Verspätung. Den Aspekt einer Analyse hatten wir bisher nie in Erwägung gezogen, daher bestand ich
darauf. Da ich viele Musicals in meinem Leben gesehen hatte, fiel mir die Auswahl schwer. Ein Theaterbesuch wäre mit hohen Kosten verbunden gewesen.
Daher beschränkte ich mich in meiner Auswahl auf Theaterstücke, die mir in DVD-Form vorlagen. Ich entschied mich für „Jekyll and Hyde“. Zum ersten passte
hier die Stimmung, zum zweiten wurde diese alte Vorlage von Robert Louis Stevenson gut in ein Musical umgesetzt und zu guter Letzt, mag ich die musikalische
Umsetzung. Zumindest in der englischen Fassung. In der deutschen wurden einige Stücke dazu komponiert und umgeschrieben, was mir bis dahin nicht
sonderlich gefiel. Ich fuhr nach Potsdam und nahm noch zusätzlich eines der Fachbücher über das Verfassen von Manuskripten für Film und Theater mit, da ich
es Jörg versprochen hatte. Erst einen schönen Kaffee, und wir legten los. Es war ganz interessant, ein Musical aus einem anderen Blickwinkel heraus
anzuschauen und wahrzunehmen. Immer wieder stoppten wir den DVD-Spieler, um Szenen oder Eindrücke genauer unter die Lupe zu nehmen und uns Notizen
zu machen. Wir stellten uns Fragen, um Details in unserem Musiktheaterstück nicht zu vergessen. Warum funktionierte die ein oder andere Szene? Wie wurde
Musik innerhalb der Dialoge in Szene gesetzt? Warum hatte der Hauptdarsteller eine so dominante Präsenz, als andere Charaktere? Sie können sich gar nicht
vorstellen, wie spannend es war, ein Musical nicht ausschließlich zur Unterhaltung anzuschauen, sondern auch, was man beim näheren Betrachten alles lernen
konnte! Ich hoffe, dieser Vormittag wird sich in der weiteren Bearbeitung unseres Manuskriptes auswirken.
Heute bekam ich meine Gehaltsabrechnung und bin, wie ein guter Freund von mir gern sagt, bald ins Essen gefallen. Statt der erwarteten Summe zur Abgeltung
meiner vielen Überstunden, wurde mir ein Wust aus Zahlen, Abschlägen und Steuern vorgelegt, der weit von meinen Berechnungen entfernt und zudem recht
kärglich ausfiel. Ich hätte mir den Kaffee am Vormittag schenken können, denn mein Puls hätte es in dieser Sekunde selbst ohne Koffein geschafft, auf 180 zu
schnellen. Was war das? Handelte es sich hier um einen schlechten Scherz? Ich arbeite dort Tag für Tag und werde für meine vorübergehende Vollzeitarbeit weit
unter meinen Kollegen bezahlt! Ich bin knapp zwanzig Jahre bei dieser Bank angestellt. Aber so etwas ist mir bis heute nicht vorgekommen. Um dieses
Missverständnis aufzuklären, versuchte ich neben meiner Arbeit, die verantwortlichen Stellen zu kontaktieren. Jeden, den ich bis dahin an das Telefon bekam,
hatte zwar mit meiner Gehaltsabrechnung zu tun, wies aber jede Verantwortung von sich. Der eine hatte die Einreichung meiner Überstunden nur schriftlich zur
Kenntnis bekommen, der nächste war nur ausführendes Organ. Der Übernächste wunderte sich ebenfalls und ein anderer wusste gar nicht, was ich überhaupt
will. Ich wandte mich an einen der Betriebsräte, um der Sache auf den Grund gehen zu lassen.
Ich stelle fest, dass ich mittlerweile gern schreibe. Mit dem Vorbeiziehen der Monate, die ich nicht nur allein dem Libretto widmete, sondern auch diesen
Aufzeichnungen, fallen mir immer mehr Dinge und Situationen auf, die ich gern, vor allen Dingen für mich selbst festhalten möchte. Meine Niederschriften
nahmen im letzten Jahr erheblich zu. Da ich eine Internetseite unterhalte, richtete ich nach langem Zögern, einen sogenannten Weblog ein, in dem ich mich
entsprechend verewige. Es macht nicht nur Spaß, sondern ich bemerke, wie ich mich mit meiner eigenen Sprache wiederholt auseinandersetze.