“Das Schwierigste am Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.(Woody Allen).”
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Kapitel 48 Zeit

06.11.2009 Das Wetter wird schlechter und die Wochen vergehen. Jörg und ich telefonieren regelmäßig. Es geht oft um Privates. Die beiden Streitpunkte der letzten Monate lassen wir dabei aus. Das soll mir recht sein. Zeit und Muße für solche Themen hat Jörg momentan nicht. Seit seinem Zusammenzug mit der Freundin, beklagt er sich weiter über fehlende Zeit. Ich rechnete fast damit. Mal war es seine Arbeit, ein anderes Mal die Technik oder Privates. Irgendwas ist immer. Diesmal liegt es an der neuen Wohnung und der ständigen Nähe zu seiner Lebensgefährtin. Ist das tatsächlich so?, fragte ich ihn. Hatte er nicht gesagt, dass es einfacher und weniger zeitraubend wäre, wenn sie zusammenziehen? Er sucht die Gründe an falscher Stelle. Ist es nicht vielmehr seine Einteilung der Freizeit? Werden nicht von ihm die Prioritäten festgelegt? Ist es nicht eher die ständige Ungeduld, die ihn dazu treibt, unzufrieden zu sein? Ich kann es nicht beantworten, nur vermuten. Ich beobachte und ziehe meine Schlüsse. Das sollte er ebenfalls tun. Da es in den letzten Wochen viel regnete und die Temperaturen sanken, empfand ich wieder Lust in meinem Studio zu arbeiten. Ich besitze viele unbearbeitete Texte, die musikalisch eingebettet und textlich angepasst werden müssen. Es geht um die Ideenfindung und das Experimentieren. Ich bin sehr froh, dass ich vorwärts komme. Allein drei neue Stücke sind in den letzten 10 Tagen entstanden. Zwei ältere Titel wurden erweitert und ausgebaut. Das ist ein guter Schnitt, wenn man bedenkt, dass ich nur ein bis drei Stunden Arbeit am Tag dafür aufwende. Sobald etwas neues entstand, schickte ich es Jörg. Die Reaktion darauf ist deprimierend. Er hört sich diese Versionen nicht zeitnah an. Wenn ich frage, ob er sich die ein bis zwei Minuten zum Anhören genommen hat, erfolgt stets die gleiche Antwort: „Wann denn...“. Das ärgert mich. Wir beide sind die einzigen, die an diesem Projekt noch Interesse zeigen. Solche Sätze rufen daher bei mir Unverständnis hervor. Wenn dies in Zukunft so weiter geht, werde ich ihm keine lästigen Mails mehr senden. Dann muss er warten, bis das Stück zu Ende geschrieben ist. Ich vermute, dass sich Jörg´s Unmut nach der offiziellen Einweihungsparty der neuen Wohnung am nächsten Wochenende erledigt hat. Derzeit freue ich mich auf einen Termin der besonderen Art. In diesem Monat wird zum ersten Mal unser Libretto auf den Prüfstand gestellt. Es wird eine Lesung und Analyse in Begleitung eines versierten Theaterkomponisten stattfinden, unter Einbindung aller bisher erstellten Musikstücke. Hierbei werden nicht nur die musikalischen Komponenten überprüft, sondern auch ein Zusammenspiel der einzelnen Charaktere und der Dramaturgie. Ich freue mich deshalb darauf, weil ich mir in all den Jahren eine unabhängige Meinung wünschte. Wie weit bauten wir eine Betriebsblindheit auf? Ist das, was wir schrieben für ein Theater interessant? Was von all dem kann auf einer Bühne funktionieren und was nicht? Diese Fragen begleiten mich. Eine kompetente Antwort erhielt ich nie. All die Personen, die anfangs Interesse für dieses Stück zeigten,verabschiedeten sich von uns und äußerten sich nie! Das ist unbefriedigend. Daher setze ich meine Hoffnungen auf dieses Gespräch und erwarte mir Antworten.