LARIFARI
Kapitel 51 Werbemüll
30.01.2011 Über sogenannte Spam-Mails könnte ich seitenweise Abhandlungen füllen, um mich darüber zu ärgern. Ich weiß, dass ich mit diesem Problem nicht
allein dastehe. Jeder, der auf elektronische Weise kommuniziert, hat seine Erfahrungen gesammelt. Vor Jahren ging ich mit der Weitergabe meiner E-Mail-
Adresse und meiner Telefonnummer sehr sorglos um. Fortan füllte sich mein Postfach und die Häufigkeit telefonischer Angebote nahm drastisch zu. Anfangs
war das kein Problem, da man die unerwünschten Mails im Blick und im nächsten Moment im Papierkorb sah. Ebenso wehrte ich recht schnell jeden
Telefonverkäufer ab. Je weiter die Jahre voranschritten, je länger wurde die Liste der Werbung,
der Angebote und der unsittlichen Einladungen. Als ich täglich mehr als einhundert solcher Mails bekam, schaltete ich meine persönliche Adresse ab und
richtete eine neue ein. Seither überlege ich mir, wem ich meine Daten anvertraue. Rigoros verfolge ich mittlerweile den Prozess des Datenschutzes, schrieb
mich in die Robinson-Liste ein und zeige jeden unerwünschten Anruf über die Verbraucherzentrale an.
Jörgs Untätigkeit zeigt sich mittlerweile nicht nur allein an den fehlenden Rückmeldungen, sondern auch an besprochenen Themen, die mir Sorgen bereiteten.
Ob es die Parallelen zu dem Computerspiel waren, die ich im Herbst ansprach, das Thema der Eröffnungssequenz, das Kümmern um unseren geplanten Roman
oder andere offene Baustellen. Es kommt nichts! Selbst seine heißgeliebten eigenen Songs kommen selten zur Sprache – worüber ich, ganz nebenbei gesagt,
ganz froh bin.
Seit einer Woche finde ich wieder Muße, mich mit unserem Projekt zu befassen. Täglich arbeite ich an bereits begonnenen Arrangements und füge diese in ihr
Orchesterbild ein. Zusätzlich verfolgte ich eine ältere Idee, die lange Zeit in meinem Kopf herumgeisterte. Mir fehlten Stücke, die ein Chor vortrug. Da wir nur
unsere sechs Hauptdarsteller und eine recht kurze Passage kreiert hatten, wo ein Chor gepasst hätte, nehme ich an, dass jedes Theater die Notwendigkeit, viele
Sänger zu bezahlen, abgelehnt hätte. Ich fand einen Weg, diesen Chor zu legitimieren, schrieb einen unabhängigen Text und komponierte dazu.
Diese halbfertigen Stücke sandte ich täglich an Jörg. Meinen Text des Chorstückes schickte ich ihm mit einer gesonderten Mail und einer ausführlichen
Beschreibung, in der ich erklärte, worauf sich dieser Text bezog und warum ich ihn für nötig halte. Leider, und wie zu erwarten nicht zeitnah, bekam ich dann am
folgenden Wochenende eine Antwort: „... lass uns das diese Woche am Telefon mal durchsprechen, halte die Idee für gut. Bis dahin, Jörg“. Ich rief ihn sogleich zurück
und freute mich auf seine Kritik zu Songs und meiner neuen Idee. Viele Monate vergingen, in denen wir diesen Austausch nun nicht mehr führten. Ich dachte
ernsthaft, dass er jetzt jede Note und jede Fortsetzung unseres Stückes ersehnt und aufsaugt. Im Zuge unseres Gespräches und nach Austausch der privaten
Dinge wurde mir klar, dass ich mit meinen Annahmen daneben lag.
Die Stücke hat er sich bis heute nicht angehört. Alte Vorgehensweise – alte Reaktion. Da ich eine Rückmeldung auf die Chor-Idee erhielt, ging ich wenigstens auf
dieses Thema ein und bemerkte, dass er sich zwar die Zusatz-Erklärungen durchgelesen, jedoch die Textvorlage an sich, nicht einmal geöffnet hatte.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Was ist, wenn ich in den nächsten Wochen in diesem Tempo weiterarbeite? Was, wenn es Wochen oder Monate
braucht, dass Jörg entschließt, sich eine Meinung zu bilden? Ich begreife nicht, was so lange aufhält, ein Drei-Minuten-Stück zu hören? Zeitnah in eine Idee
einzugreifen ist für mich sinnvoller, als Wochen oder Monate später. Aber diesen Fakt erkennt er leider nicht. Es hat sich an seiner Verhaltensweise nichts
geändert. Was nutzt mir eine Meinung zu einem Bearbeitungsstand, der lange her und überholt ist? Er ist nichts mehr wert. Was, wenn er anfängt zu sammeln
und dann 15 oder 30 Minuten Hörzeit benötigt werden? Ich will diesen Faden gar nicht weiterspinnen. Aber kein anderer in meinem Umkreis bekommt diese
Stücke zu hören. Nur er!
Ich bat um eine Erklärung. Jörg begründete seine Nichtbeachtung mit der Tatsache, dass er sich mittlerweile nicht mehr den Stress macht, jede Werbe- oder
Angebotsmail zu begutachten. Anhänge werden nicht geöffnet und stringent alles ausgeblendet, was zur Reduzierung seiner Freizeit beiträgt. Ich wusste bis
heute gar nicht, dass meine Songs und meine Ideen in diese Kategorie gehören?! Aber gut. Dann blende ich diese Tatsache für mich aus und werde ihm in
nächster Zeit Tipps geben, wie man mit Spam am einfachsten umgeht...